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Digitalisierung: Die Rettung für den Einzelhandel?

Neue Konzepte für die Innenstädte erdenken und die Digitalisierung voranbringen – so lauten die viel gehörten Handlungsaufrufe im Zuge zur Rettung des stationären Einzelhandels. Doch das ist zu kurz gedacht. In unserer Kolumne zeigen wir auf, um was es wirklich geht.

 

Wie ist die aktuelle Situation?

Insbesondere im ländlichen Raum sieht man immer mehr verlassene Ladengeschäfte und diejenigen, die noch nicht geschlossen haben, kämpfen oft um das Überleben. Auch wenn es ab und an eine Neueröffnung gibt, ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis auch hier der Räumungsverkauf ansteht. Schuld daran ist nicht nur der demografische, sondern insbesondere der strukturelle Wandel. Denn der Trend geht immer mehr zum Onlineshopping. Ein scheinbar unbegrenztes Angebot, keine eingeschränkten Öffnungszeiten und schnelle Lieferungen sind für die meisten Konsumenten einfach kaum schlagbare Vorteile. Selbst beratungsintensive Branchen werden es in der Zukunft wegen der Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz schwer haben, sich gegen die Technik (zum Beispiel KI-basierte Produktempfehlungen) durchzusetzen.

Trotz dieser düsteren Aussichten spielt der Einzelhandel insbesondere für Dinge des täglichen Bedarfs eine wichtige Rolle und Experten sind sich einig, dass der Einzelhandel überleben kann, sofern das klassische Geschäftsmodell überdacht wird.

 

Was für Möglichkeiten gibt es?

Das klassische Geschäftsmodell zu überdenken hieße zum Beispiel bereits etablierte Lösungsansätze zu übernehmen. Dazu gehört der einfache Aufbau eines kleinen Onlineshops, die Integration in Google My Business und / oder andere soziale Medien wie Facebook, LinkedIn oder Instagram. Neben diesen vermeintlich einfach klingenden Ansätzen ließen sich natürlich auch Konzepte wie Click and Collect oder Endless Aisle umsetzen. Gerade bei Endless Aisle, dem virtuellen Warenlager, hätten Einzelhändler mit wenig Lagerfläche die Möglichkeit, Kunden ein erweitertes virtuelles Angebot zur Verfügung zu stellen. Waren können bestellt werden und dann bequem im Geschäft probiert und idealerweise gekauft werden.

Allerdings stoßen hier schon viele Inhaber auf massive Herausforderungen. Denn allzu oft fehlt den Ladenbesitzern das Know-how. Gerade ältere Inhaber tun sich schwer, einen Umsetzer für einen Onlineshop zu finden oder kennen sich nicht mit sozialen Medien aus. Wenn nicht sogar das nötige Budget fehlt oder das Risiko einer Investition zu groß erscheint. Daher ist es nicht überraschend, dass Einzelhändler, deren Nachfolge durch jüngere Inhaber gesichert ist, eher bereit sind diese Schritte zu gehen.

Die oben genannten Lösungen wirken wie Handlungsempfehlungen für Einzelkämpfer. Aber das ist nicht unbedingt gut so. Denn auch Einkaufszentren stehen vermehrt in der Kritik „altbacken“ zu sein – auch wenn diese Zentren immer wieder als eine mögliche Lösung auf betroffene Einzelhändler aufgerufen werden. Dafür spricht das Argument der Investitionsgemeinschaft: Zum einen sinkt sicherlich die Hürde für Investitionen, wenn sich mehrere Parteien das Risiko teilen und zum anderen profitiert ein starker Einzelhandel von einer starken Nachbarschaft. Nur wenn mehrere Einzelhändler in einem bestimmten Radius erreichbar sind, können sie Interessenten anlocken. Aber auch das ist noch nicht ausreichend. Denn dies würde ja zunehmend in die Richtung großer US-amerikanischer Einkaufszentren (Malls) gehen, die in den letzten Jahren massive Einbußen zu verbuchen haben und somit nicht als Lösung in Frage kommen können.

 

Ist der Einkauf wirklich alles?

Viele etablierte E-Commerce-Unternehmen setzen bei ihrer Verkaufsstrategie auf eine gewisse „Shopping Experience“, um den Kunden die Produkte schmackhafter zu machen. Das soll die Hemmschwelle, etwas zu kaufen verringern und zum anderen dadurch auch den Umsatz steigern. Tatsächlich geht der Trend aber eher dahin, sich mehr auf den Aufenthalt des Kunden im Laden als solches zu konzentrieren, statt nur auf den Einkauf. Der Konsument ist nicht zufrieden, weil er eine „Shopping Experience“ hatte, sondern ein paar tolle Stunden erlebt hat.

Zurzeit werden vom Forschungszentrum Jülich einige spannende Projekte finanziert, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen.

  • Die Stadt Ratingen hat eine App eingeführt, in der alle Informationen über die Stadt zusammengeführt werden. Diese App soll nun um weitere Funktionen wie Einkaufsgutscheine, Parktickets und einem Kommunikationskanal erweitert werden.
  • In Wuppertal sollen der stationäre und der Onlinehandel verknüpft werden. Dazu wird ein Multichannel-Netzwerk etabliert, in dem mehrere Händler ihre Produkte gemeinsam online anbieten können. Die Plattform soll dann weiter ausgebaut und vermarktet werden, um die urbane Vielfalt auch digital zu fördern.
  • In Köln wird nach Lösungen gesucht, den Handel in der Digitalisierung zu unterstützen, und die Einzelhändler sichtbarer und zugänglicher zu machen, so wie vor allem deren Geschäftsräume zeitgemäß zu gestalten, um so ein neues stimmiges Erlebnis zu schaffen. Als Abgrenzungsmerkmal soll hier insbesondere die gemeinsame lokale Identität angesprochen werden.

In allen drei Projekten geht es eben nicht nur ausschließlich um den Einzelhandel, sondern darum neben dem Einzelhandel die weiteren möglichen Erlebnisse und Erfahrungen einer Stadt in den Vordergrund zu stellen.

 

Digitalisierung als Allheilmittel für den Einzelhandel?

Nein! Die Digitalisierung ist nicht die Rettung des Einzelhandels. Um den Einzelhandel zu retten, müssen neue Konzepte erstellt und erdacht werden, die ein ganzheitliches Erlebnis in den Vordergrund stellen und offline, also greifbar zur Verfügung stehen. Zu meinen, Social Media Advertising oder ein kleiner Onlineshop würden ausreichen, scheint mittelfristig zu kurz gedacht. Dennoch ist es ohne Digitalisierung natürlich auch nicht möglich. Denn gewisse Angebote und Prozesse – beispielsweise im Bereich Bezahlung, Reservierung und Einkauf – müssen im Verständnis der meisten Menschen heutzutage online abzuwickeln sein. Und da viele Freizeitangebote einer Stadt bereits auf der Website der Stadt gelistet sind, wäre es in einem Schritt auch durchaus denkbar die Website einer Stadt mit einer übergreifenden E-Commerce-Plattform zu verbinden, die als Multichannel-System fungiert.

 

Bilder: pixabay

 

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Hartwig Göttlicher
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