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Augen auf beim Onlinekauf: China flutet den Onlinehandel mit Billigartikeln [Kolumne]

Der Onlinehandel ist ein Schlaraffenland für jeden shoppingwütigen Couch-Potato. Der Käufer muss lediglich den Zeigefinger bewegen und bekommt dafür einfach alles Vorstellbare – auch aus fernen Ländern wie China. Die Internationalisierung auf ihrem Höhepunkt, das ist doch klasse! Nicht ganz.

 

In unserer Blog-Kolumne schreiben Mitarbeiter von netz98 frei von der Leber weg über ein Thema ihrer Wahl. Ihre Standpunkte sollen anregen und zum Diskutieren ermuntern.

 

Wenn vor lauter Angeboten der Nutzen unwichtig wird

Eigentlich ist das mit dem Internet und der Globalisierung eine geile Sache. Eine schnieke LED-Uhr für 1 Euro oder gar ein verdächtig echt aussehendes neues Marken-Smartphone zu einem Bruchteil des Originalpreises – gar kein Problem. Einfach klicken und das Ganze wird per Schiff um die halbe Welt geschippert. Und das natürlich mit so gut wie keinen Versandkosten.

Wer heutzutage was auf sich hält, verbringt lieber Stunden vor dem Bildschirm mit Preisvergleichen und Recherchen, anstatt einfach an einem sonnigen Tag in die Stadt zu trotten. Völlig zu Recht: Schließlich könnte einem der heißeste Super-Deal durch die Lappen gehen. Außerdem gibt es im Laden in der Fußgängerzone nicht so absolute Must-Have-Produkte wie eine aufblasbare Sauna-Box oder ein Gravur-Werkzeug für Kartoffeln. Braucht man das? Unwichtig. Ist die Qualität überhaupt der Rede wert? Auch egal, Hauptsache es wurde ein tolles Schnäppchen gemacht.

Ein sehr großer Teil dieser – in schicken Shopping-Apps – präsentierten Ramsch-Produkte kommt aus China. Nun bedeutet die Herkunft aus Fernost nicht automatisch etwas Schlechtes. Das zeigen dort hergestellte Highend-Geräte wie Video-Drohnen oder Staubsaugerroboter, die die Produkte der westlichen Konkurrenz regelmäßig in den Schatten stellen. Allerdings hat die Flut an schrottigen Plastik-Gadgets und Fake-Elektronik mittlerweile System – und China ist eben unverkennbar Produzent Nr. 1 dieser minderwertigen Ware.

 

Ein Problem, das nicht als solches erkannt wird

Das Unternehmen Wish hat sich zu einem wahren Paradies für kuriose Produkte gemausert, von denen Kunden nie wussten, dass sie sie brauchen. Der Online-Marktplatz mit Sitz in – Achtung! – San Francisco, hat die Ultrabillig-Schiene zu seinem Markenzeichen gemacht. Dabei fungiert Wish als eine Art eBay für neue, aber billige und/oder gefälschte Produkte. Das heißt, die angebotene Ware wird nie von Wish selbst, sondern über zahlreiche Dritthändler vertrieben. Unter diesen tummeln sich endlos viele chinesische Anbieter, die die Gelegenheit nutzen, um im Zuge eines schnellen Talers ihre unzulänglichen Produkte auf die Menschheit loszulassen – und das leider mit immer weiter steigendem Erfolg.

„Wo ist das Problem?“ wird sich jetzt manch einer fragen. Schließlich steht es jedem frei, ob er bei solchen Plundermärkten im Internet einkaufen will oder nicht. Genau hier ist der Knackpunkt des Ganzen: Chinesische Billigware hat sich abseits von Schnäppchen-Apps wie Wish schon längst in seriösen Onlineshops ausgebreitet, allen voran bei Amazon.

Dies hat zum einen die Folge, dass das Verständnis für Qualität bei den Käufern stetig sinkt und deshalb selbst bei hochwertigen Produkten niedrige Preise erwartet werden. Zum anderen – und das ist ein viel entscheidenderer Faktor – schädigt China damit den westlichen Markt. Die Konsumenten kriegen über kurz oder lang schlicht nicht mehr mit, wie wichtig Qualität ist und entscheiden sich im Zweifelsfall für das günstigere Produkt. Der Schaden bei „aufrichtigen“ Unternehmen steigt ins Unermessliche, da sie dem Preisdruck nicht standhalten können.

Hinzu kommt: Viele der chinesischen Händler nehmen es nicht wirklich genau mit geltenden Regeln und Normen, wie sie beispielsweise in Europa herrschen. Der Stabmixer geht nach dem dritten Gebrauch aufgrund eines Kabelbrands in einer Rauchwolke auf? Was soll‘s, schließlich wurden ja nur 3 Euro dafür bezahlt. Da dieses Gerät auch keine entsprechende Registrierungsnummer besitzt (so wie in Deutschland vorgeschrieben), muss sich dann auch niemand um die korrekte Entsorgung kümmern. Also ab nach Afrika damit! Auf eine der gigantischen Elektro-Müllhalden, an deren Wachstum auch deutsche Verbraucher fleißig mithelfen.

 

Umparken im Kopf

Was also tun gegen die schiere Übermacht aus Fernost? Gibt es überhaupt Möglichkeiten, dem sinkenden Niveau der Online-Ware beizukommen? Nun, das liegt an jedem Verbraucher selbst, vor allen Dingen aber auch an den Marktplätzen, die deutlich mehr Geld für Qualitätssicherung ausgeben sollten.

Der Marketingslogan eines deutschen Autobauers könnte nicht besser zu dieser Situation passen: „Umparken im Kopf“. Jeder muss für sich entscheiden, ob er auf ein noch so verlockendes Angebot eingeht und damit diesen Trend verstärkt oder ob er lieber in Qualität

und Nachhaltigkeit investiert. Und das gilt besonders für Shopping-Touren auf Amazon, deren Gegenmaßnahmen, die Billig-Flut auf ihrer Plattform einzudämmen, gerade erst begonnen haben. Auf Wish lohnt sich der Besuch dann erst gar nicht, da sich dort keine originalen und nachhaltigen Produkte finden lassen.

Allzu schwer ist die Umstellung eigentlich nicht: Meistens lassen sich besagte China-Produkte an den sehr schlecht übersetzten Produktbeschreibungen identifizieren. Es ist nicht nötig, sich ein Produkt, nur weil es billiger ist, direkt vom anderen Ende der Welt schicken zu lassen – das Klima leidet eigentlich schon genug am üblichen Import/Export von alltäglicher Ware.

Achtsamkeit ist demnach nicht nur im Supermarkt beim Prüfen der Herkunft und der Zutatenliste gefragt, sondern auch beim ach-so-bequemen Onlineshopping von der Couch aus. So tut man – auf längere Sicht gesehen – nicht nur etwas für eine dauerhaft stabilere Wirtschaft, sondern auch so ganz nebenbei ein kleines bisschen was für das Klima und die Umwelt.

 


Weitere lesenswerte Artikel rund um die Themen E-Commerce und Digitalisierung haben wir in der neuen Ausgabe unseres eCOM|MAG für Sie zusammengestellt:

 

 

Bild: iStock

 

 

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