Auch wenn der Begriff „Digitalisierung“ bisweilen inflationär verwendet wird – die Bedeutung des Wortes und was damit zusammenhängt ist noch nicht vollumfänglich angekommen. Das zeigt sich vor allem an der Wahrnehmung der verschiedenen Social Media Tools: Facebook ist für ältere, alle „Kids“ verwenden Instagram oder Snapchat, aber alle drei haben mit E-Commerce nichts zu tun. Dabei wird gerade bei Instagram und Facebook das Potential in diesem Bereich unterschätzt – nämlich als mächtiger Verkaufskanal.
Die digitale Völkerwanderung und ihre Auswirkung
Zunächst ein kleiner Exkurs in die Historie von Social Media, um die vorangegangenen Aussagen ein wenig genauer aufzuschlüsseln. Fakt ist: Facebook und Instagram werden – obwohl es der gleiche Konzern ist – von teilweise völlig unterschiedlichen Generationen genutzt. Seit der Übernahme von Instagram im Jahr 2012 durch den (damaligen) Platzhirsch Facebook, hat das Bildernetzwerk seinem Mutterkonzern kontinuierlich den Rang abgelaufen. Diese Nutzerwanderung hatte zur Folge, dass Facebook aktuell nur noch als dasAlten“-Netzwerk abgestempelt wird.
Dieses Vorurteil basiert zwar hauptsächlich auf persönlicher Wahrnehmung, doch das nicht ganz zu Unrecht, wie aktuelle Zahlen aus den USA belegen.
Allerdings hat Instagram laut den Daten von Morning Consult lediglich in der Altersgruppe der 13–21-Jährigen die Nase vorn – dies aber deutlich. Bei allen älteren Befragten bis 38 Jahre sind die beiden Netzwerke exakt gleichauf. Die Zukunft von Facebook scheint also klar zu sein, es geht ganz langsam aber sicher zu Ende. Schließlich ist Instagram auch strukturell vollkommen anders aufgebaut, dazu schneller und einfach moderner. Und, das dürfte der entscheidendste Faktor sein: Die Nutzer sind weitaus aktiver und helfen damit dem Netzwerk seine hohe Dynamik beizubehalten.
Sollte Facebook also künftig – besonders von Unternehmen – als unwichtig betrachtet werden? Mitnichten, denn der IT-Gigant ist längst nicht einfach nur ein soziales Netzwerk, sondern ein sehr mächtiger Konzern, der immer wieder neue Innovationen vorantreibt. So auch die Möglichkeit, Waren und Produkte über die Unternehmensseite oder für Privatpersonen im Marketplace auf Facebook zum Kauf und Verkauf anzubieten.
Social Media als Bindeglied einer digitalen Verkaufsstrategie
Nun gibt es die Selling-Funktionen schon etwas länger auf Facebook, allerdings wurden sie nie besonders forciert. Erst mit dem stark ansteigenden Erfolg des E-Commerce in den letzten Jahren hat der Konzern wieder mehr Energie in die Entwicklung des Projekts gesteckt. Und das mit Erfolg: Verschiedene führende E-Commerce-Systeme wie zum Beispiel Magento haben seit Ende 2019 eine Schnittstelle für einen direkten Verkauf über Facebook im Angebot. Dies zeigt, dass dieses sogenannte Social Selling (oder auch Social Commerce) eben nicht einfach nur ein weiterer Verkaufskanal ist, auf dem sich Unternehmen als besonders modern und zukunftsorientiert präsentieren können. Stattdessen bildet es eine wichtige Brücke zu potentiellen Käufern, die mit dem Begriff E-Commerce hauptsächlich oder ausschließlich Amazon verbinden.
Social Selling kann auch beim Stichwort Customer Experience punkten, denn durch die frische und alternative Präsentation der Waren fühlen sich auch jüngere Kunden angesprochen. Des Weiteren ist in diesem Zuge die Vielfältigkeit der Möglichkeiten von Social Media besonders reizvoll: Die Nutzer können sich mit nur einem Login über aktuelle Geschehnisse in der Welt informieren, bei den Freunden auf dem Laufenden bleiben und beispielsweise ein neues Trikot vom Lieblingsverein kaufen.
Auch im – besonders bei neuen Trends – eher zögerlichen Deutschland wird Social Selling viel Potential zugesprochen, wie eine Umfrage von Statista unter im E-Commerce tätigen Personen zeigt: Eine sehr deutliche Mehrheit von 59 Prozent der Befragten sieht hierin einen „interessanten Trend“.
Mehr Vielfalt und Agilität im E-Commerce
Bei Facebook hat der Durchbruch von Social Selling etwas auf sich warten lassen. Der E-Commerce ist ein schneller, sich ständig wandelnder Markt, auf dem es unter Umständen schwer ist, neue Ansätze zum Erfolg zu führen. Genau diese Eigenschaften bringen Instagram ins Spiel, da dieses Netzwerk wie bereits erwähnt ähnlich dynamisch ist. Auch dort haben Unternehmen oder private Creator die Möglichkeit, ihre Waren oder Dienstleistungen direkt über den Feed / die Timeline anzubieten – dies aber in einer etwas anderen Form als bei Facebook: Waren können per Bild gepostet und dann mit klickbaren Buttons direkt mit Preis verlinkt werden. Diese Art der Produktdarstellung ist besonders für Mode-Produkte attraktiv. So kann ein Händler in nur einem Bild gleich mehrere Waren visuell ansprechend unterbringen, beispielsweise indem ein Model zu sehen ist, dessen Kleidungsstücke auf dem Foto einzeln verlinkt sind. Hemd, Hose, Schuhe und sogar Accessoires wie Schmuck oder Hüte lassen sich auf diese Art einzeln oder in einer kompletten Kollektion vermarkten.
Stichwort Vermarktung: Die Verkaufsfunktionen von Facebook und Instagram nur auf den Kern an sich zu reduzieren (der Verkauf von Waren), wäre zu einfach und würde der Sache nicht gerecht werden. Erfolgreicher E-Commerce wird nicht nur durch eine gute Produktpräsentation definiert, sondern durch das große Ganze drumherum, mit einer ausgeklügelten Strategie. Und ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist das Marketing. Seit mindestens einem Jahr stehen Begriffe wie „360° User Experience“ im E-Commerce ganz oben im Kommunikations-Portfolio sämtlicher Konzerne, die im Onlinehandel aktiv sind. Also das vollkommene umgarnen des Kunden an sämtlichen Kontaktpunkten eines Produktes oder einer Marke. Was wäre für ein solches Vorgehen besser geeignet als Social Media? Durch die multimediale Struktur, die soziale Netzwerke nun einmal haben, ergeben sich nahezu unendlich viele Herangehensweisen, um Begehrlichkeiten für bestimmte Produkte und Waren bei potentiellen Kunden zu wecken.
Zum Beispiel kann ein Unternehmen sein Profil auf Facebook voll und ganz auf eine neue Produktlinie ausrichten, indem Videos in der Timeline geschaltet werden, Verlinkungen zu Infotexten, Gewinnspiele, etc. Sogar zielgruppenorientierte Werbung kann direkt auf dem Netzwerk geschaltet werden. All das ist Kundenzentrierung in Reinstform, wie es die großen Player namens SAP oder Adobe unentwegt predigen.
Das Ende der Möglichkeiten ist noch lange nicht erreicht
Das Potential von Social Media, eine feste Größe im E-Commerce zu werden, ist also gewaltig. Und eigentlich ist es verwunderlich, dass dies nicht schon längst der Fall ist. Vor allem, weil Facebook inklusive seinen Diensten Instagram und WhatsApp zusammen auf etwa 2,8 Milliarden Nutzer weltweit kommt. So gesehen eine überwältigende Anzahl an potentiellen Kunden. Händler oder Unternehmen, die trotz dieser beeindruckenden Zahlen das Thema Social Selling – oder Social Media im Allgemeinen – noch nicht richtig ernst nehmen können, sei ein Blick in etwa 7000 km Richtung Osten empfohlen. In China gilt das zunächst als Messenger-App veröffentlichte Tool WeChat als Vorbild für viele westliche Trends und ist ein Paradebeispiel für eine alles-könnende Social Media-Software. Der Dienst vereint unter anderem übliche Chat-Funktionen, Online-Payment, Reise-Portal, Fahrzeug-Mietservice und Kalender-Funktionen wie Vereinbarung von Arzt-Terminen und Tischreservierungen in nur einer App. Zudem lässt sich der Funktionsumfang durch das Einbinden weiterer Dienste von Dritt-Anbietern willkürlich erweitern.
Social Media ist also auch 15 Jahre nach der Gründung von Facebook ein globaler, erfolgsentscheidender Faktor – nicht nur wie jetzt neuerdings im E-Commerce, sondern auch als Treiber der Digitalisierung im Gesamten.
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