Allein im letzten Jahr gingen in Deutschland etwa eine halbe Milliarde Artikel zurück zum Händler. Eine gewaltige Summe, die viele Probleme und Fragen aufwirft. Vor allem in Zeiten des Klimawandels wird die Anzahl der Retouren für Onlineshop-Betreiber ein zunehmendes Problem – sowohl für das Image als auch für die Bilanz.
Ein Problem und viele Verursacher
490 Millionen Retouren im Jahr. Umgerechnet sind das über 1,3 Millionen Rücksendungen pro Tag. Eigentlich kaum vorstellbar – mittlerweile aber Realität, die mehr oder weniger hingenommen wird. Angesichts dieser Zahl ist es kein Wunder, dass das Verlangen nach mehr Nachhaltigkeit im Onlinehandel (Stichwort Sustainable E-Commerce) immer größer wird. Doch wie kommt es zu dieser großen Summe?
Die Schuldigen sind auf sehr vielen Seiten zu suchen:
- Zum einen sind da die Händler, die unter dem immer größer werdenden Konkurrenzdruck zu immer ausgedehnteren Bedingungen kostenlose Rücksendungen anbieten.
- Dann sind da die Käufer, die natürlich ausgiebig davon Gebrauch machen, denn jede sechste Bestellung ist eine Retoure. Darunter sind auch viele Verbraucher, die das Rückgaberecht mutwillig ausnutzen, hauptsächlich bei der Bestellung von Mode-Artikeln – hier liegt der Anteil an Rücksendungen laut der Universität Bamberg sogar bei etwa 50 Prozent. Wenn sich ein Käufer nicht sicher ist, ob die Hose passt, werden einfach mehrere verschiedene Größen bestellt. Der Rest kann dann bequem und ohne Zusatzkosten wieder zurückgeschickt werden.
- Und zu guter Letzt wäre da die Politik höchstselbst, schließlich kommt aus dem EU-Parlament die gesetzliche Garantie des Online-Rückgaberechts.
Doch hierzulande formiert sich Gegenwind. Aus dem Bundestag kommen Forderungen, dass Retouren kostenpflichtig werden sollen. Dies könnte bewirken, dass ein Käufer sich noch einmal genauer überlegt, eine Bestellung mit beispielsweise mehreren Hosengrößen zu tätigen – oder ob er lieber im lokalen Handel direkt nachschaut. Diese These belegt auch eine Studie von Statista:
Das reduziert nicht nur die Retourenmanagement-Kosten der Shopbetreiber, sondern auch den innerstädtischen Straßenverkehr durch weniger Transportfahrten. Davon profitiert dann ebenfalls das Klima durch reduzierten CO²-Ausstoß. Zumindest in der Theorie.
Müllberge und logistisches Chaos
Apropos Klima: Dass die Praxis von der Umsetzung der eben genannten Theorie noch ein großes Stück entfernt ist, zeigt der Umgang einiger Händler mit Teilen der Retouren. Da die Vernichtung eines Produkts in der Regel kostengünstiger für den Onlinehändler ist als ein Wiederverkauf, werden viele Waren einfach entsorgt. Laut einer Retouren-Studie der Universität Bamberg werden rund 55 Prozent der Rücksendungen, die nicht mehr als A-Ware gelten, vernichtet. Das spart Lagerkosten sowie weiteren personellen und finanziellen Aufwand, um die Ware wieder in den Umlauf zu bringen.
Doch auch immer mehr Neuware inklusive Originalverpackung findet den Weg in den Müll. Dabei entstehen Unmengen an unnötigem Papier- und Plastikmüll und eben auch weiterer CO²-Ausstoß. Spitzenreiter dieser Methode ist laut Recherchen von Greenpeace der Onlinehandel-Riese Amazon. Wie viel Neuware wirklich vernichtet wird, ist noch nicht genau belegt – Fakt ist aber, dass das Ganze eine ökologische und ökonomische Katastrophe ist. Von Nachhaltigkeit keine Spur.
Auch hiergegen will die Bundesregierung vorgehen, das Bundeswirtschaftsministerium plant ein Verbot von Neuwarenvernichtung.
Wenn das Image Einfluss auf die Bilanz nimmt
Retouren im E-Commerce sind also ein echtes Problem, das angegangen werden muss. Dazu muss aber erst einmal ein gewisses Bewusstsein geschaffen werden. Wenn es die Politik nicht schaffen sollte, ein Umdenken beim Thema Retouren zu erwirken, dann kann das die allgemeine Öffentlichkeit.
In Zeiten der Klimakrise ist Nachhaltigkeit ein großes Thema und beim aktuellen Umgang der Onlinehändler mit ihren Retouren sicherlich nicht unerheblich für das Image der betroffenen Unternehmen. Die Verbraucher wollen immer nachhaltiger agieren und verlangen das Gleiche auch von den Marken, denen sie ihr Vertrauen und damit auch ihr Geld geben. Nicht umsonst ist Sustainable E-Commerce – wie bereits in diesem Blog berichtet – ein ernstzunehmender Trend.
Und spätestens wenn der Imageverlust einen spürbar größeren Einfluss auf die Bilanz hat als Lagerkosten, lenken auch die größten Vertreter des Onlinehandels ein.
Bilder: netz98, Statista