Immer mehr Unternehmen bieten auf ihren Onlineshops die Möglichkeit, bestimmte Produkte völlig frei zu gestalten. Diese Individualisierung und Personalisierung sind ein Trend, um neue Kunden auf die eigene Plattform zu locken – aber auch um bestehende zu binden.
Individualisierte Produkte bieten unendliche Kombinationsmöglichkeiten
Das Konzept, den Kunden die individuelle Gestaltung ihres Wunschprodukts zu überlassen, ist nicht neu. Allerdings war dieses Angebot bisher oft nur sehr eingeschränkt nutzbar, zum Beispiel mit wenigen Modifizierungs-Möglichkeiten. Die Auswahl beschränkte sich auf vorgefertigte Einzelteile, ohne weitere Anpassungen.
Seit etwa einem Jahr hat sich allerdings ein neuer Trend festgesetzt, der die Kunden und ihre Kreativität viel mehr einbezieht. Beispielsweise hat das Großunternehmen Liebherr kürzlich für seine Hausgeräte-Sparte einen neuen Onlineshop gelauncht, in dem die Kunden sich einen Kühlschrank vielseitig selbst konfigurieren können. Neben der Auswahl der verschiedenen Fächer und der Innenbeleuchtung ist es den Nutzern im „MyStyle“-Editor möglich, die Farbe im RGB-Raum (16,7 Millionen Farben) komplett frei zu definieren. Außerdem können sie eigene Bilder und Motive hochladen, die sich beliebig skalieren und positionieren lassen.
Der „MyStyle“-3D-Designer von Liebherr
Das Konzept funktioniert nicht nur Online
Dass dieses Konzept auch außerhalb des Internets funktionieren kann, zeigt der Getränke-Konzern Coca Cola mit seinem neusten Projekt namens Coca-Cola Freestyle. Dabei handelt es sich um einen Getränkeautomaten, mit dem sich die Nutzer aus 100 verschiedenen Softdrink-Produkten des Unternehmens einen neuen Geschmack mischen können. Laut dem Hersteller sind in Deutschland bereits 300 Automaten im Einsatz, weitere sind bereits geplant.
Neue Möglichkeiten für die Marketing-Abteilungen
Neben Coca Cola ist Becks ein weiteres Beispiel aus der Getränkebranche: Der Bierbrauer bewirbt seine Produkte aktuell mit einer Aufforderung zum kreativen Wettstreit. Auf einer eigens dafür erschaffenen Webseite können die User ein Etikett kreieren. Eine Jury wählt dann die 40 besten Exemplare aus, die künftig in großer Zahl auf den Flaschen zu finden sein werden. Ganz das Trendthema „Mobile Only“ im Blick, richtet sich diese Aktion ausschließlich an Smartphone-Nutzer, denn die Website funktioniert nur auf mobilen Endgeräten. Eine ähnliche Aktion hatte auch der Lebensmittel-Konzern Ferrero bei der seiner beliebten Nuss-Nougat-Creme Nutella vorangetrieben. Hierbei konnten die Kunden ihre Namen im Nutella-Stil auf dem Etikett anbringen.
Individualisierbare Produkte, bei denen der Kunde direkt einbezogen wird, sind eine ausgezeichnete Spielwiese für Marketing-Experten. Der Einfallsreichtum der Unternehmen scheint keine Grenzen zu kennen und das macht sich über das Produkt hinaus bemerkbar. Erfolgreiche Kampagnen stacheln die Mitbewerber gegenseitig an, die entstehenden Produkte werden zum Kult. Das Resultat: Immer mehr Unternehmen springen auf diesen Zug auf, es entwickelt sich ein Trend.
Das Potential ist nach wie vor enorm
Seiten wie myMuesli sind schon seit vielen Jahren im Geschäft, diverse Fast-Food-Ketten starten immer wieder Design-Wettbewerbe für Burger oder Ähnliches. Dieser Trend hat sich Online wie Offline durchgesetzt, die Liste mit Beispielen ließe sich beliebig fortsetzen.
Eine Begründung für den Erfolg zu finden ist recht einfach: Der Drang der Menschen nach Individualität und Exklusivität bleibt ungebrochen und will überall ausgelebt werden. Zu dieser Erkenntnis kam auch die IFH Köln in einer Studie mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG: Mehr als jeder Zweite der Befragten favorisiert individualisierte Produkte; und über die Hälfte der 20-29-Jährigen sind dazu bereit mehr Geld als für ein „normales“, gleichwertiges Produkt zu zahlen.
Studie: Individualisierte Produkte liegen im Trend / Quelle: IFH Köln/KPMG
Zusätzliche Kosten müssen bedacht werden
Bei all der Euphorie sollten aber auch die auftretenden Nachteile betrachtet werden. Große Unternehmen müssen bei jeder Individualisierungsaktion ihre Massenproduktionsstraßen entsprechend umbauen. Außerdem ist es in den meisten Fällen erforderlich, modernere Technologien in die Unternehmensprozesse zu integrieren oder völlig neue Prozesse zu erschaffen. Und für Online-Aktionen, die beispielsweise über den firmeneigenen Onlineshop laufen, werden speziell entwickelte Konfiguratoren benötigt. Dies alles ist immer mit teilweise erheblichen Zusatzkosten verbunden.
Entsprechend hoch fällt dann der Druck bei den Verantwortlichen aus. Eine Erfolgsgarantie gibt es zwar nicht, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass mehr Umsatz oder zumindest mehr Aufmerksamkeit für die Marke herausspringt.
Fazit
Trotz der vorhandenen Hindernisse führen personalisierte Produkte oft zu einer Win-Win-Situation. Zum einen profitieren die Hersteller, die nicht nur Neukunden gewinnen, sondern auch bestehende enger an sich binden können. Zum anderen profitieren die Kunden, bei denen durch die Einbeziehung ihrer Kreativität das Gefühl von Wertschätzung und etwas Besonderem bleibt.
Natürlich müssen die Hersteller dahingehend auch Sorge tragen, dass kein Missbrauch durch personalisierte Produkte betrieben wird. Es müssen Kontrollmechanismen eingeplant werden, die verhindern, dass die Nutzer beispielsweise keine verfassungsfeindlichen Symbole auf ihrem Gefrierschrank anbringen. Ansonsten könnte sich eine Individualierungskampagne schnell zu einem PR-GAU entwickeln.
Bilder: Mockdrop.io / Becks, netz98, Liebherr, IFH Köln/KPMG