Google will ab kommendem Jahr das Cookie-Tracking einstellen. Zweifelsohne eine sehr überraschende Nachricht, doch was bedeutet das für die Shopbetreiber auf der einen und für die Kunden auf der anderen Seite?
Was ist „Tracking“ eigentlich?
Keine Rückverfolgung, kein Tracking, keine Cookies von Drittanbietern mehr: Diese Ankündigung von Google ging wie ein Paukenschlag durch sämtliche Branchen. Vor allem Werbetreibende und Webshop-Betreiber wurden durch diese Nachricht extrem verunsichert.
Um die Strahlkraft dieser Meldung zu verstehen, gilt es zunächst noch einmal Revue passieren zu lassen, was Cookie Tracking eigentlich ist, genauer gesagt für was es gut ist. Mit Besuch einer Seite, beispielsweise eines Webshops hinterlässt der Nutzer eine Spur. Diese wird durch einen Cookie gespeichert. Beim weiteren Surfen auf anderen Seiten werden weitere Spuren gesammelt und gespeichert, aus denen sich dann ein Bild ergibt, für was sich der Nutzer generell interessiert. Basierend auf diesen Daten kann Google dann wiederrum personalisierte Werbung auf Webseiten schalten, die genau die Produkte oder Dienstleistungen beinhalten, die zum bisher verfolgten Besuchermuster des Nutzers passen.
Ein Beispiel
Interessiert sich eine Nutzerin für eine neue Armbanduhr und besucht bei ihrer Recherche nach dem passenden Produkt diverse Webshops, die Uhren verkaufen, wird auf jeder Seite ein Cookie gesetzt, sodass die digitale Krümelspur genau nachvollziehbar ist. Geht die Nutzerin nach ihrer Suche zwischenzeitlich auf eine andere Seite, beispielweise ein Nachrichtenportal oder ein soziales Netzwerk, wird sie dort regelrecht mit Anzeigen über Uhren bombardiert. Die sogenannten Display-Ads schlagen ähnliche oder die gleichen Produkte vor, passend zu den zuvor auf andren Seiten angesehenen. Klickt sie einer dieser Anzeigen, bekommt der Betreiber eine kleine Provision von dem Anzeigensteller, in diesem Fall einer der zuvor besuchten Händlerseiten. Als Dritter im Bunde kassiert Google dann wiederum eine Provision, da das Schalten dieser Display-Ads für die Shopbetreiber kostenpflichtig ist.
Dieses Geschäftsmodell ist also so gesehen eine typische Win-Win-Situation: Webshop-Betreiber können durch das schalten von Display-Ads, die im Wesentlichen auf Cookie-Daten basieren, weitere potentielle Kunden an Land ziehen. Andere Webseitenbetreiber – beispielsweise eine Zeitung – können dann mit eigentlich kostenlosem Content trotzdem Einnahmen generieren. Dieses System macht einen wesentlichen Anteil der Gesamteinnahmen von Google aus, da Display-Ads weltweit sehr intensiv genutzt werden: Laut ARD gehen etwa 52 Prozent aller im Internet geschalteten Anzeigen auf das Konto von Google, was mit den andren Google-Produkten zusammen in einem Gesamt-Jahresumsatz von fast 200 Milliarden US-Dollar allein in 2020 resultiert. Eine immense Zahl.
Wie kommt es zu dieser Entscheidung?
Mit diesem Hintergrundwissen macht sich angesichts der Entscheidung von Google, das Tracking abzuschaffen große Verwunderung breit. Denn womit will der Konzern Geld verdienen? Nun, wenn es darum geht das Verhalten von Nutzern aufzuzeichnen, um nicht zu sagen auszuspähen, um daraus Gewinne zu erwirtschaften, stehen zwangsläufig immer große Datenschutz-Bedenken im Raum. Deshalb steht Google schon länger unter Druck, vor allem in den USA. Dieser Druck ist in den letzten Jahren so sehr gewachsen, dass die Verantwortlichen von Google schon seit einiger Zeit über Änderungen nachdenken und sich letztendlich zu diesem drastischen Schritt entschieden haben. Im Google-eigenen Chrome-Browser wurden schon vorbereitend einige Tracker rausgenommen.
Ab kommendem Jahr sollen dann Drittanbieter-Cookies verboten und keine alternativen Tracking-Methoden seitens Google mehr entwickelt werden. Konkret heißt das, dass Google stattdessen zukünftig Nutzerprofile zur Verfügung stellt, anhand derer die werbetreibenden Unternehmen einzelne Zielgruppen erstellen können – und da liegt der Knackpunkt: Gruppen. Keine einzelnen Personen. Bedeutet im Umkehrschluss: Gezielte, genau auf potentielle Kunden zugeschnittene Werbemaßnahmen sind so nicht mehr möglich. Der von einigen als Datenkrake verschriene US-Konzern will sich somit datenschutzfreundlicher aufstellen.
Was bedeutet das für Shopbetreiber und den E-Commerce?
Wie bereits erwähnt kommt die Entscheidung von Google in der Werbebranche nicht gut an. Ohne Cookie-Tracking und Display-Ads gibt es erstens weniger mögliche Werbefläche und zweitens – noch verheerender – keine zuverlässige Möglichkeit zu messen, wie erfolgreich die Anzeigen sind und wen sie erreichen. Dieses Problem lässt sich natürlich auch ohne weiteres auf den E-Commerce, genauer auf die Shopbetreiber übertragen. Ohne vernünftiges SEA gestaltet sich das Produkt- und Markenmarketing im Internet als äußerst schwierig und ungenau. Der E-Commerce steht also – so scheint es – vor einer großen Herausforderung.
Zunächst einmal bleibt aber abzuwarten, wie sich das alles entwickelt. Die von Google angebotene Alternative der Nutzergruppierung, die mit dem neu entwickelten Tool FLoC (Federated Learning of Cohorts) umgesetzt wird, soll laut dem Silicon Valley-Unternehmen mindestens genauso gut funktionieren wie eine individuelle Nutzer-Adressierung.
Außerdem ist jetzt schon ein wenig Licht im Dickicht der großen Veränderungen zu sehen. Mehr oder weniger offensichtlich gibt Google allen Werbetreibenden gleich eine Richtung mit, auf die sie sich zukünftig konzentrieren sollten. Denn diese Richtung genau dahin, wo der Techriese selbst die Zukunft sieht: Im mobilen Internet, also auch beim Mobile Commerce.
Ein weiterer Schub für den Mobile Commerce
Für ein vollständige Betrachtung muss erwähnt werden, dass Google den eigentlich nutzerfreundlichen Vorstoß natürlich nicht ganz uneigennützig vollzieht: Die neue Trackingmethode FLoC wurde nur für den hauseigenen Chrome-Browser entwickelt. Das heißt, die Shopbetreiber können nur noch bei Nutzern, die diesen Browser benutzen Erfolge mit Display-Ads erzielen. Da aber auch ein nicht unerheblicher Anteil auf die Konkurrenz-Produkte wie zum Beispiel Firefox oder Apples Safari-Browser abfällt, geht ein großer Teil von potentiellen Werbezielen verloren. Laut einer Studie von Statista ist das ungefähr ein Drittel aller Nutzer.
Dies kann ganz unterschiedlich interpretiert werden. Kritiker werfen Google durch diese Maßnahme die insgeheime Absicht vor, ihre Vormachtstellung auszubauen, da andere Browser-Anbieter scheinbar komplett im Regen stehen gelassen werden. Des Weiteren würden Drittanbieter gezwungen umzudenken oder gar aufzugeben. Das kalifornische Unternehmen ist mittlerweile so mächtig, dass es nicht mehr auf Cookies angewiesen ist und lieber Eigenentwicklungen in den Markt presst.
Jedoch hat die viel diskutierte Entscheidung von Google noch einen weiteren Haken, der weiteren Interpretationen zulässt, worauf der Tech-Konzern eigentlich hinaus will. Der angekündigte Cookie-Tod gilt nur für Desktop-Geräte. Auf den Android-Endgeräten (dem mobilen OS von Google) bleibt die Lage unverändert. Hier werden die Nutzer weiterhin getrackt und mit Display-Ads gelockt. Besonders im Hinblick darauf, dass der ganze Markt sich immer mehr auf mobile Endgeräte verlagert, ist das ein gewaltiger Eingriff von Google in die Gemengelage der Werbe-Einnahmen. Laut einer Prognose von PWC soll in 2024 allein in Deutschland der Umsatz durch mobile Internetwerbung bei 6,4 Milliarden Euro liegen.
Somit ist es jedem Unternehmen und Endkunden freigestellt, in welches Licht der Internet-Gigant betrachtet wird: Entweder als samaritischer Vorreiter oder als großer Machtmonopolist. Fakt ist, dass die Einschnitte groß sein werden, genau wie die Umstellung. Fakt ist aber ebenfalls, dass der E-Commerce auch dies als Chance wahrnehmen wird, allein durch das schier endlose Potential des Mobile Commerce und dessen Technologien, wie beispielsweise PWA.
Bilder: freepik, Statista