Datengetriebenes Marketing wird für E-Commerce Unternehmen immer wichtiger. Kundeninteraktionen können immer persönlicher und individuell auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet werden.
In diesem Interview fragen wir unseren Kollegen Nils Weber, Geschäftsführer der valantic Digital Marketing & CRM GmbH, nach seiner Einschätzung und erfahren nützliche Tipps und Tricks. Mit einem Team aus Experten für Marketingtechnologien wie zum Beispiel bloomreach CDXP, zenloop, trbo, Emarsys sowie zertifizierten Salesforce-Beratern, löst er strategische Herausforderungen in den Bereichen Customer Engagement Technologien sowie ganzheitlichem Customer Relationship Management.
Das Interview führte Vera Hofer, Senior E-Commerce Consultant bei netz98.
Vera: Hallo Nils, welche „Data Driven Economy“-Trends seht ihr heute in der Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden?
Nils: Wir sehen hier im Wesentlichen drei Trends:
- Der erste nennenswerte Trend ist der hin zur relevanten und beziehungsbildenden Kommunikation. Die Ansprüche von Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber Unternehmen und anderen Organisationen wachsen stetig. Heute findet der Beziehungsaufbau zu Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend in einer digitalen 1-zu-1-Konstellation statt. Konsumentinnen und Konsumenten erwarten es also, direkt angesprochen zu werden. Eine nicht auf sie zugeschnittene Kommunikation, beispielsweise in Form eines generischen Newsletters, sind somit Informationen ohne Mehrwert. Rund um das Thema Informationen und Mehrwert-Kommunikation baut sich das erste Spannungsfeld auf. Das Digitale ergänzt diese um einen weiteren direkten Kanal; quasi als Erweiterung zu den bisherigen Kanälen. Die Menge und Verfügbarkeit von Informationen, die dadurch zusammenkommt, kann schnell unübersichtlich werden. Um den Überblick hier zu behalten, ist es essentiell wichtig, Relevanz im Datengewirr herzustellen.
- Um also Relevanz zu erzeugen, muss ein Unternehmen seine Kundinnen und Kunden kennen. Wissen generiert sich durch Daten – ein Stichwort, das uns geradewegs in den zweiten treibenden Trend führt: den Datenschutz. Headlines der letzten Jahre greifen das deutlich auf. Das Ende der Third-Party-Cookies, die DSGVO und das – zum Teil daraus resultierende – baldige Abschalten der klassischen Google Analytics Funktionen, wie wir sie bisher kannten, sind nur einige nennenswerte Headlines. Der Trend zum Datenschutz bereitet die Bühne für eine spezifische Form von Daten, um die die Zukunft der Data Driven Economy gebaut wird: den First-Party-Daten, also solchen, die selbst erhoben und verwaltet werden.
- Abschließend würden wir noch das Konzept der Buyer- und Customer Journey sehen. Eigentlich sollte es bereits hinlänglich bekannt und somit nicht mehr wirklich ein Trend sein. Wir sehen aber, dass es noch immer nicht hinreichend in Unternehmen operationalisiert wird. Ab dem Moment, in dem eine Marke es schafft, die Nutzerinnen und Nutzer zu identifizieren, beginnt eine einzelne Konsumierenden-Reise, die vom ersten Kontakt bis zum Loyalty Programm durchorchestriert werden will. Im Kaufprozess müssen das richtige Angebot zur richtigen Zeit und im After-Sales-Funnel der passende Service zum jeweils identifizierten Nutzungsverhalten angeboten werden.
Im Hinblick auf den E-Commerce ist insbesondere das letzte Thema natürlich höchst relevant und zeigt, dass First-Party-Kundendaten in Zukunft eine zentrale Rolle spielen, um relevante Beziehungen aufzubauen.
Welchen Mehrwert seht Ihr bei der datengetriebenen Kundeninteraktion besonders in Bezug auf E-Commerce-Geschäftsmodelle?
Data Driven E-Commerce ist ganz klar Teil der Customer Experience und die Spielarten dieser Disziplin sind vielfältig. Allem vorangestellt steht folgendes Prinzip: Immer, wenn eine Kundeninteraktion stattfindet, muss diese wie aus einem Guss mit der bisherigen Kommunikation wirken. Von der ersten Ansprache im Rahmen einer gegebenenfalls auf Lookalike-Audience-Listen basierten Werbeanzeige, über die ersten Produktempfehlungen durch Onsite-Personalisierung und die weiterführende conversion-optimierte Website-Führung, bis schließlich zur Feedback Survery und einer personalisierten Service-Erfahrung: all diese Schritte basieren auf gesammelten und genutzten Daten. Dabei ist der Kanal E-Commerce als Touchpoint auch in der Lage, neue Daten zu generieren. Er liefert Engagement und Verhalten sowie transaktionale Daten, die wiederum genutzt werden, um die Customer Experience zu optimieren. All das zentralisiert zu orchestrieren verlangt einem Unternehmen, das in diesem Bereich bisher noch gar keine digitale Infrastruktur vorweisen kann, bereits einiges ab. Das Ergebnis jedoch ist ein Mehr an Wissen und Kontrolle über die Ausgestaltung der digitalen Customer Journey.
Was wäre ein möglicher erster Schritt für ein E-Commerce-Unternehmen, um das Thema Daten-getriebene Kundeninteraktionen anzugehen?
Für den wirklichen Start bei Null empfiehlt es sich, sich folgende Fragen zu stellen:
- Welche Daten besitze ich bereits?
- Was brauche ich, um diese Daten mit neuen Daten anzureichern?
- Wie schaffe ich es, diese Daten gewinnbringend zu aktivieren?
Da sich die vielfältigen Daten oftmals in unterschiedlichen Systemen befinden, empfiehlt es sich, als erstes ein singuläres System aufzusetzen, das als sogenannte „Single Source of Truth“ ein vollständiges 360-Grad Kundenprofil erzeugen kann. Diese Softwarekategorie ist gemeinhin als Customer Data Platform (CDP) bekannt und schafft eben genau diese umfassende Kundensicht. Neben dem Kundenprofil sind die Segmentierung dieser Profile und die Bereitstellung der entsprechenden Segmente und Daten in Drittsystemen die Kerneigenschaften einer jeden CDP. Je nach Software-Anbieter kommen spezielle Stärken hinzu: etwa in der Analyse oder der Ausspielung in Drittsystemen oder der freien Konfigurierbarkeit von sogenannten Events, die in Echtzeit Daten auf Basis von Website-Interaktionen zurück in die CDP spielen. Mit einer Oberfläche dieser Art steigt die Befähigung der Organisation zum datengetriebenen Arbeiten immens.
Aus Eurer Erfahrung – was sind hierbei häufig auftretende Risiken und Herausforderungen?
Es gibt im Wesentlichen zwei Herausforderungen. Die erste ist die Datenqualität: Beim initialen Data Ingest, also der ersten Integration vorhandener Daten in eine CDP, muss sichergestellt sein, dass alle relevanten Daten integriert sind und die integrierten Daten die geforderte Güte erfüllen. Falsche oder inkomplette Datensätze genauso wie Duplikate oder eine undurchsichtige Datenhierarchie schaffen keinen Mehrwert. Im Gegenteil: Sie können sogar einen recht hohen Schaden erzeugen. Wir müssen im Hinterkopf behalten, dass Kundendaten äußerst sensibel und die Customer Experience als hauptsächliches Differenzierungsmerkmal in gesättigten Märkten eine fragile Konstruktion sind. In diesem Sinne ist die zweite Herausforderung, die gewonnenen Fähigkeiten mit einer klaren und zielführenden Logik zu verknüpfen. Die CDP bildet die Befähigung, die CX-Strategie liefert dazu die konkrete Ausgestaltung. Entlang der Customer Journey die wichtigsten Use Cases zu identifizieren und nach einer individuellen Logik auszusteuern, ist das Kunststück, das von einer Organisation geleistet werden muss. Es geht also einerseits um die gewählten Inhalte und anderseits um die bevorzugten Kanäle, die in Einklang gebracht werden wollen.
Konsistente Customer Experience über alle Touchpoints entlang der Buyer- und Customer Journey
Wie sollte ein Unternehmen aufgestellt sein, damit die Transformation zu einer Daten-getriebenen Organisation funktioniert?
Das Thema Data Driven Marketing kann nur ganzheitlich gedacht werden. Es braucht das Commitment auf allen Ebenen. Auch abseits einzelner Projekte muss sich die Organisation im Ganzen bewegen. Im Zweifel bedeutet das, aus dem Gelernten, wenn notwendig, radikale Schlüsse zu ziehen und potenziell neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Ein guter Start, um diese Dynamik im Unternehmen freizusetzen, aber auch zu koordinieren, wäre die Schaffung einer neuen Rolle. Wir empfehlen daher des Öfteren die Einführung eines Customer Segment & Engagement Managements (CSEM). Zwischen den klassischen Unternehmensfunktionen des Marketings, Vertriebs und Services orchestriert das CSEM mit einem holistischen Blick die Buyer- und Customer Journey. Die Neuschaffung dieser Rolle erlaubt es zudem, die einzelnen Abteilungen sukzessive stärker einzubinden, ohne einen abrupten Wechsel des Arbeitens zu verlangen. Als Dreh- und Angelpunkt der Transformation wird das CSEM somit interner Botschafter und Treiber des Change- & Adoption-Prozesses.
Lieber Nils, vielen Dank für das Interview und die vielen Erkenntnisse und Tipps.
Bilder: iStock, valantic Digital Marketing & CRM GmbH