Im E-Commerce nimmt der grenzüberschreitende Handel einen immer größeren Stellenwert ein. Dabei sind die Rahmenbedingungen zuletzt durch Faktoren wie Inflation, Corona oder Brexit nicht besser geworden. Was kennzeichnet den Cross Border E-Commerce derzeit und welche Zukunft hat er? Im Blogbeitrag befassen wir uns mit aktuellen Zahlen.
Steigerung auf ganzer Linie
Angesichts des anhaltenden Wachstums der E-Commerce-Welt scheint es nicht verwunderlich, dass auch der grenzüberschreitende Onlinehandel im Aufwind ist. Obwohl die Corona-Pandemie der Globalisierung einen Dämpfer verpasst hat, erwies sie sich für den E-Commerce national wie international als Treiberin. Nach einer Studie der Förderplattform CBCommerce zur Performance der Top 500 B2C-Händler in Europa ist der Umsatz des grenzüberschreitenden Onlinehandels 2021 im Vergleich zum Vorjahr um ganze 17 Prozent auf gut 171 Milliarden Euro gewachsen. Die reinen Onlineshops erzielten dabei einen Umsatz von 100 Milliarden Euro, was einem Plus von rund 15 Prozent gegenüber 2020 entspricht.
Das Wachstum des Cross Border-Handels fiel 2021 sogar höher aus als das des B2C-Onlineumsatzes insgesamt. Letzteres ist im Vergleich zu 2020 „nur“ um 11,5 Prozent gestiegen. Ebenso ist der Anteil des grenzüberschreitenden Handels am gesamten E-Commerce-Umsatz gewachsen: Rund 27 Prozent betrug er 2021, was einer Steigerung von 5 Prozent im Vorjahrjahresvergleich entspricht. Nach einer Prognose der Marktforscher von Polaris und Statista geht dieses Wachstum des internationalen Handels – zumindest weltweit gesehen – noch mindestens bis 2030 kontinuierlich weiter.
Fashion und spezielle Marken als Auslöser
Betrachtet man die Faktoren, die den grenzüberschreitenden Handel besonders treiben, stechen zwei Aspekte hervor: So hat die Studie Cross Border E-Commerce Shopper Survey der International Post Corporation IPC einen klaren Favoriten weltweit verteilter Konsumenten in punkto Produktsegmenten ermittelt. Gefragt nach der Produktkategorie, aus der das letzte Produkt stammt, das die Shopper bei einem ausländischen Onlinehändler bestellt haben, nennen 34 Prozent Kleidung, Schuhe und Accessoires. Damit landet dieses Segment mit Abstand auf Platz eins. Unterhaltungselektronik steht abgeschlagen mit 22 Prozent auf dem zweiten Rang.
Eine Umfrage des Logistikdienstleisters DPD ist den Gründen nachgegangen, weshalb Konsumenten überhaupt bei internationalen Shops bestellen. Demzufolge ist der Hauptauslöser, dass es bestimmte Marken und Produkte einfach nicht in Webshops aus dem Heimatland gibt. Dies sagen 72 Prozent der Befragten. Schon weitaus weniger Gewicht scheint der am zweithäufigsten genannte Grund zu haben: 37 Prozent sagen, dass die Suche nach besseren Angeboten sie zu internationalen Onlinehändlern treibt. Die Länder, in denen deutsche Onlineshopper offenbar am häufigsten andere Marken und bessere Angebote finden, sind China, das Vereinigte Königreich und die USA. Dies geht aus einer E-Commerce Studie der Marktforscher von Nielsen für den Cloudhosting-Dienst SendCloud für die Jahre 2021/22 hervor.
Beliebteste Produktkategorien, für die Konsumenten in ausländischen Onlineshops bestellen (Quelle: Cross Border E-Commerce Shopper Survey, IPC)
Deutsche Konsumenten noch zögerlich
Trotz des weiteren Aufschwungs des Cross Border E-Commerce insgesamt, sind deutsche Onlinekunden noch zögerlich beim Bestellen im Ausland – zumindest im internationalen Vergleich. Das legt eine Untersuchung von Eurostat nahe, die für das Jahr 2021 in ausgewählten europäischen Ländern den Anteil an Personen ermittelt hat, die Onlinekäufe bei ausländischen Anbietern getätigt haben. Spitzenreiter sind demnach Irland, Luxemburg und Malta, wo mindestens jeder zweite Onlineshopper bereits international bestellt hat.
Für Deutschland dagegen gibt die Erhebung lediglich einen Wert von 17 Prozent an. Zu den Gründen macht Eurostat zwar keine Angaben, doch dem Vernehmen nach ist der sehr breitgefächerte und in vielen Segmenten von hohem Konkurrenzdruck geprägte heimische Onlinemarkt ein wichtiger Faktor. Er sorgt dafür, dass deutsche Konsumenten sich seltener auf dem internationalen Markt umsehen müssen, um günstige Preise oder bestimmte Produkte zu finden. Ob sich dies durch die aktuell hohe Inflationsrate demnächst ändert, bleibt abzuwarten.
Deutsche Unternehmen exportieren fleißig
Im Gegensatz zu den Endkunden ist der Cross Border E-Commerce hierzulande bei den Unternehmen deutlich stärker verankert. Eine Studie von Industrie- und Handelskammern und ibi Research zeigt, dass inzwischen gut jeder zweite Betrieb in Deutschland Waren ins Ausland vertreibt und dabei für 54 Prozent der Vertrieb über einen eigenen Onlineshop die erste Wahl ist. Letzterer wird, zusammen mit Marktplätzen, besonders im Einzelhandel stark genutzt, während Hersteller dagegen häufiger einen Außendienst bemühen.
Dabei sind für den Groß- und Einzelhandel Nachbarländer wie Österreich, Schweiz, Frankreich und die Niederlande die umsatzstärksten internationalen Märkte. Auch dort ist ein eigener Onlineshop der meistgenutzte Vertriebskanal. Über 60 Prozent der befragten international tätigen Unternehmen sind der Ansicht, dass ihr Auslandsgeschäft in Zukunft noch wichtiger wird. Die meisten Firmen wollen mit der Entwicklung des Marktes und ihrer Konkurrenz einfach Schritt halten.
Aktuelle Widrigkeiten treiben Preise
Angesichts dieser Überzeugungen scheint der Cross Border E-Commerce zwar einerseits in seinem Wachstum bestärkt zu werden. Andererseits ist er derzeit jedoch einigen, nicht zu vernachlässigenden Widrigkeiten ausgesetzt: Die bereits erwähnte hohe Inflationsrate im Generellen sowie die durch den Krieg in der Ukraine gestiegenen Energie- und Treibstoffpreise im Speziellen machen der Branche zu schaffen. Hinzu kommen regulatorische Einschränkungen durch den Brexit.
Auch ein Personalmangel infolge der Corona-Pandemie trägt seinen Teil dazu bei, etwa weil den Spediteuren LKW-Fahrer abgesprungen oder Produktionsstätten in Asien und Afrika unterbesetzt sind. Viele Unternehmen müssen dementsprechend überlegen, wieder vermehrt auf regionale Warenlager und Fabriken zu setzen oder tun dies bereits. Nicht nur deshalb gehen über 60 Prozent der Unternehmen mit weiterhin steigenden Kosten auch im grenzüberschreitenden Handel aus.
Hinzu kommt, dass der Cross Border E-Commerce schon ohne akute Krisen insofern unter einem gewissen Kostendruck steht, da mitunter hohe Versandkosten sowie steuer- und zollrechtliche Auflagen einkalkuliert werden müssen. Insofern verwundert es nicht, dass beispielsweise gut 60 Prozent der Firmen für ihr China-Geschäft auf mindestens ein eigenes Warenlager vor Ort und oftmals auch auf nationale Versanddienstleister setzen. Das soll Kosten reduzieren und nebenbei die Akzeptanz der Unternehmen in China erhöhen. Schließlich wirkt sich ein gelungenes Cross Border-Geschäft immer auch positiv auf die Marke aus.
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