Digitalisierung bedeutet nicht nur einen technischen, sondern auch organisatorischen Wandel. Flache Hierarchien und agile Methoden sind gute Ansätze, die aber mit Bedacht eingesetzt werden müssen.
Unternehmensstrukturen werden auf den Kopf gestellt
Immer mehr Unternehmen werben mit flachen Hierarchien oder agilen Methoden, bei denen das Team und nicht die Chef-Etage im Vordergrund steht. Anstatt den Mitarbeitern Aufgaben zu diktieren und deren Arbeit zu kontrollieren, sollen die Mitarbeiter „enabled“ oder „facilitated“ werden, sich selbst den täglichen Herausforderungen des Business anzunehmen und eigenverantwortlich umzusetzen. Als Folge versprechen sich die Unternehmen eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, mehr Innovation und einen geringeren administrativen Overhead.
Was sich einfach anhört, stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Insbesondere in traditionell geführten Unternehmen führt die Vorstellung, die Verantwortung abzugeben zu einer großen Verunsicherung. Viele Führungskräfte fragen sich, ob sie Ihren Mitarbeitern vertrauen können und stellen im schlimmsten Fall die Kompetenz derjenigen in Frage, die nicht zuletzt maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens beitragen sollen.
Zu behaupten, dass alle Angestellte eines Unternehmens mit der gleichen Motivation, Zielstrebigkeit und Verantwortungsbereitschaft ihre Arbeit verrichten, wäre eine gewagte Aussage. Menschen sind unterschiedlich – und das ist auch gut so. Ist es nicht genau dieser Fakt, der die Unsicherheit und das Bedürfnis nach Kontrolle bekräftigt?
Das Streben nach Individualität: Wenn Arbeitnehmer wie Kunden agieren
Interessanterweise machen es sich viele Unternehmen schon seit einiger Zeit zum Geschäftsmodell, die Unterschiede von Menschen zu nutzen. Sie passen ihre Produkte auf die individuellen Bedürfnisse und Geschmäcker ihrer Kunden an. So wird eine Erwartungshaltung geschaffen, die ein Mensch in seiner Rolle als Kunde auch selbstverständlich mitnimmt in seine Rolle als Arbeitnehmer. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Arbeitnehmer heutzutage gerne selber entscheiden wollen, wann, von wo und wie sie arbeiten möchten.
Doch wenn beispielsweise Mitarbeiter Frank gerne nachts arbeitet und nicht ins Office kommt, woher weiß sein Vorgesetzter, dass Frank seiner Regelarbeitszeit nachkommt? Ist das nicht wieder ein Grund für Misstrauen? Und was ist, wenn Frank mit Simone und Christian ein gemeinsames Projekt als Team stemmen soll? Besonders, wenn Christian und Simone lieber tagsüber arbeiten und gerne ins Office kommen, dann kann das ganze Projekt doch gar nicht funktionieren – oder?
Bei weitem noch nicht alle, doch zunehmend mehr Unternehmen beschäftigen sich mit genau diesen Fragen. Die Suche nach einem funktionierenden Team in Zeiten zunehmender Individualisierung ist immer relevanter für den Geschäftserfolg geworden. Der NASA-Experte und Physik-Nobelpreisträger John Mather drückte es deswegen so aus: „Charly, I am convinced that half of the cost of a project is socialy detemined.“
Coaches sollen Teams stärken
Eine Lösung, um agil und flexibel arbeitende Teams zusammen zu halten, sind Team Coaches. Die Aufgabe dieser Team Coaches, auch Agile Coaches oder Scrum Master genannt, besteht u.a. darin, ein Team in der Selbstorganisation und funktionsübergreifender Teamarbeit zu unterstützen, um hochwertige Produkte zu erschaffen. Ein Blick in gängige Jobportale zeigt, dass die Anzahl der gesuchten Team Coaches aktuell gerade mal 25 Prozent unter der Anzahl nach gesuchten Projektmanagern liegt. Oder anders ausgedrückt: Team Coaches sind aktuell sehr gefragte Leute.
Die Bereitschaft, sich coachen zu lassen und sich engagiert für das Unternehmen einzusetzen, hängt aber wie so oft an der Motivation der Mitarbeiter. Eingangs hatten wir schon erwähnt, dass eben nicht alle Mitarbeiter gleich motiviert sind. Ein Grund, sich das Thema Motivation etwas genauer anzusehen.
Wie können Mitarbeiter motiviert werden?
Vielen ist mittlerweile die intrinsische Motivation ein gängiger Begriff. Ziele werden nicht aufgrund externen Druckes, Belohnung oder Bestrafung verfolgt, sondern aus eigenem Antrieb heraus. Der Mitarbeiter ist so engagiert, dass der Vorgesetzte sich um nichts Gedanken machen muss. Ist der Mitarbeiter nicht motiviert, muss der Vorgesetzte ihn kontrollieren oder externe Reize setzten, womöglich mit Mehrarbeit oder dem Verlust des Bonus drohen. Oder man fragt sich, warum es an Motivation mangelt.
Die Frage nach fehlender Motivation wird viel behandelt. Eine der am weitesten akzeptiertesten Ansätze in diesem Bereich ist die Selbstbestimmungstheorie. Die Selbstbestimmungstheorie führt Motivation auf drei Grundbedürfnisse zurück:
1) Vertrauen: Den einzelnen Mitgliedern eines Teams muss vertraut werden. Dieses Vertrauen gilt aber auch für die Mitglieder untereinander. Es reicht also nicht, wenn der Projektverantwortliche einem Mitglied vertraut, die anderen Mitglieder es aber nicht tun.
2) Zusammenhalt: Das Team muss einen Zusammenhalt spüren und dieser muss aufrecht gehalten werden. Zusammenhalt stärkt sich auch dadurch, dass Mitglieder das Gefühl haben müssen, anderen helfen zu können und jederzeit von anderen Hilfe erwarten zu können.
3) Selbstverwirklichung: Jedes Team-Mitglied hat Eigenschaften, Wünsche und Vorstellungen, die es in seine Arbeit mit einbringen möchte. Team-Mitglieder haben aber nicht nur ihre Rolle als Arbeitnehmer, sondern auch andere Rollen und somit Erwartungen anderer und an sich selber zu erfüllen. Sei es in der Familie, im Hobby oder sonst wo. Auch hier ist Selbstverwirklichung wichtig und in einer gesunden Work-Life-Balance kann Motivation für die Arbeit auch aus beispielsweise der Selbstverwirklichung in anderen Bereichen kommen.
Führung ist wichtig für eine gute Motivation
Auch wenn es vielen manchmal so vorkommt: Im Business geht es ums Geld, aber nicht um Leben und Tod. Dennoch ist jeder in den täglichen Business Constraints von Time, Budget und Quality gefangen. Der daraus entstehende Druck beschäftigt die Mitarbeiter oft weitaus intensiver als es sollte. Und je höher der Druck, desto größer wird das Verlangen nach strikten Arbeitsvorgaben und Kontrolle. In solchen Situationen würde viele sicherlich Vertrauen und Zusammenhalt als Erfolgsfaktoren unterstreichen. Sicherlich nicht die Selbstverwirklichung.
Studien, die Teamwork in extremen Situationen wie Escape Rooms oder Konflikten untersucht haben, bestätigen diese Auffassung – teilweise. Während die Teilnehmer der Studien Vertrauen und Zusammenhalt als Erfolgsfaktoren nennen, wird das Thema Selbstverwirklichung zurzeit eher nicht gefunden werden. Vielmehr wird die Delegation von Aufgaben und Vertrauen in die Teamführung positiv hervorgehoben.
Bevor sich jetzt alle Vertreter der Führungsnotwendigkeit freuen, ist aber hervorzuheben, dass Führung nicht gleich Führung ist! Die Untersuchung von Teamwork unter Forschern auf einer Polarstation hat gezeigt, dass bei gutem Teamwork entweder einem Mitglied die Rolle des informellen Führers zugeschrieben wurde oder die Rolle des informellen Führers mit der des formalen Führers übereinstimmte. Die Existenz eines formalen Führers ohne informelle Akzeptanz trug nicht zum effektiven Teamwork bei. Ein Phänomen was eigentlich schon seit Max Webers Trennung zwischen legaler und charismatischer Herrschaft bekannt ist.
Als Führer akzeptiert zu werden zeichnet sich im Umkehrschluss wiederum dadurch aus, Kontrolle abzugeben und das Team eigene Entscheidungen treffen zu lassen. Und in kritischen Situationen verteidigt der Führer das Team nach außen und übernimmt die Verantwortung.
Zusammenfassung
Mit der Weisheit „Zweihundert Prozent Druck, um hundert Prozent Leistung zu erreichen“ lässt sich sicherlich in manch traditionellen Führungsetagen noch Eindruck schinden. Doch in der heutigen Zeit, in der Unternehmen die Individualisierung befeuern, ist der alte Ansatz falsch, um zufriedene Mitarbeiter und vorbildliche Performance zu generieren. Vielmehr müssen konstante Teams geschaffen werden, in denen auf die Bedürfnisse Vertrauen, Zusammenhalt und Selbstverwirklichung der Mitarbeiter eingegangen wird. Dies ist ein Prozess, der Zeit benötigt.
Trotz flacher Hierarchien kann es Führungsrollen geben, die neben den Team Coaches das Teamwork fördern. Ob diese Führungsrolle ein erfahrener Entwickler oder Projektmanager ist, ist gleichgültig. Wichtig ist, dass diese Rolle von den Mitgliedern akzeptiert wird.
Wie kann Agilität bei E-Commerce-Projekten angewendet werden? Das folgende Video zeigt, wie das bei netz98 funktioniert: