Mittels agiler Entwicklung lassen sich große und komplexe Onlineshops realisieren, die stets den Kundennutzen im Fokus haben. Ein wichtiger Bestandteil hierbei ist das MVP. Wir erklären, was es damit auf sich hat.
Flexibel statt festzementiert
E-Commerce-Projekte werden immer komplexer. Aus den einstigen Onlineshops sind mittlerweile umfangreiche Plattformen geworden, die zunehmend als zentrale Schnittstelle einer unternehmensweiten Digitalisierung dienen. Da es unzählige Stakeholder und Abhängigkeiten zwischen Abteilungen und Systemen gibt, kann ein modernes E-Commerce-Projekt oft kaum noch nach klassischen Methoden umgesetzt werden.
Klassisch bedeutet: Nach dem Wasserfall-Modell wird die Plattform mit all ihren Features geplant und dann in einem mehrmonatigen oder gar mehrjährigen Entwicklungsprozess umgesetzt.
In heutiger Zeit realisieren Unternehmen oder Dienstleister derartige Projekte nach agilen Methoden wie zum Beispiel Scrum. Das bedeutet unter anderem, dass eine E-Commerce-Plattform schrittweise entsteht. In sogenannten Sprints, die in der Regel aus Zyklen von zwei bis drei Wochen bestehen, veröffentlicht das Entwickler-Team neue Versionen. Jede Version beinhaltet neue Funktionen, ist fehlerfrei und nutzbar. Die erste richtige lauffähige Fassung nennt man MVP.
Minimum Viable Product: Bedeutung und Definition
MVP ist eine Abkürzung, sie steht für Minimum Viable Product. Das englische Wort „viable“ bedeutet unter anderem „existenzfähig“, „überlebensfähig“ oder „praktikabel“. Im Deutschen wird ein MVP oft als das „kleinstmögliches Produkt“ bezeichnet.
MVP = Prototyp?
Wichtig: Ein MVP ist kein Prototyp! Bei einem Prototyp sind in der Regel die Ideen noch unausgereift, es gibt zahlreiche Features, die nicht genutzt werden können, und Bugs bestimmen das Bild. Nicht so beim Minimum Viable Produkt: Es besitzt nur sehr wenige Funktionen oder Buttons. Diese erfüllen aber alle ihren Zweck und funktionieren wie erwartet. Somit ist ein MVP eine extrem abgespeckte, aber nutzbare Fassung einer Produktvision.
Iteratives Vorgehen nach der Build-Measure-Learn-Methode
Das Minimum Viable Product und seine späteren Iterationen werden nach der Build-Measure-Learn-Methode entwickelt. Das bedeutet: Es wird eine Annahme getroffen (z.B. „Die Kunden möchten einen Onlineshop nur mit großen Bildern haben“), auf Basis dieser programmieren die Entwickler das MVP (Build-Phase).
Ist das MVP fertig, erfolgt der Release und die erste Vermarktung: Es werden mit einem kleinen Budget Facebook- und Google-Anzeigen geschaltet, um die ersten Nutzer anzulocken. Diese dienen quasi als Tester des MVP.
In der Measure-Phase werden alle Schritte (z.B. Klicks, Verweildauer, Ausstiegsseiten) der Nutzer so genau wie möglich gemessen. Anhand der Messergebnisse kann dann ermittelt werden, ob das MVP bzw. die Produktvision ankommt und ob die Nutzer die Features wie erwartet nutzen (Learn-Phase).
Auf Basis der Erkenntnisse trifft man neue Annahmen und plant darauf aufbauend die nächste Iteration des MVP. Auch dieses muss die Build-Measure-Learn-Phasen durchlaufen. Durch diese Vorgehensweise entsteht Schritt für Schritt ein Produkt nah am Kundennutzen, das stetig neue Features erhält.
Wann nutzt man MVPs bei der Onlineshop-Entwicklung?
Werden alle Onlineshops oder E-Commerce-Plattformen agil entwickelt? Entstehen sie immer auf Basis eines MVP? Nein.
Wenn Agenturen und Dienstleister agil arbeiten, heißt das nicht zwangsläufig, dass sie alle ihre Projekte nach Scrum oder ähnlichen Methoden realisieren. Und dementsprechend entsteht auch nicht immer ein MVP.
Die Entscheidung, wie ein Projekt vorangetrieben wird, hängt vom Auftraggeber ab. Er muss wissen, welche Methode (Wasserfall oder Agile) am besten zu seiner Unternehmensstruktur und seinen Mitarbeitern passt. Gerade große und alte Unternehmen besitzen meist nicht die geeigneten Voraussetzungen, um Projekte schrittweise zu entwickeln. Für sie sind MVPs kein Thema – zumindest in den ersten Projektgesprächen.
Doch: Kann die Agentur bzw. der externe Dienstleister dem Unternehmen die Vorteile der agilen Entwicklung klarmachen und ist der Auftraggeber bereit, seine Strukturen und Arbeitsweisen anzupassen, kommt es oft zu einem „Sinneswandel“.
Wie sieht es bei netz98 aus?
Da die Vorteile der agilen Arbeitsweise im Vergleich zum Wasserfall-Modell auf der Hand liegen, befürwortet die Mehrheit unserer Kunden (= Auftraggeber) das iterative Vorgehen auf Basis eines MVP. Wobei wir nicht sklavisch nach Scrum oder Dergleichen vorgehen. Jeder Kunde ist anders, deswegen haben wir unsere eigene netz98 agile-Methode entwickelt, die das Beste aus Agilität und klassischen Methoden vereint. So bewegen wir uns – je nach Kunde und Auftrag – zwischen beiden Welten, bleiben dabei aber stets flexibel und offen für Neues.
MVPs kommen bei uns an verschiedenen Stellen zum Einsatz. Wir setzen damit große Neuprojekte wie komplexe E-Commerce-Plattformen und auch einzelne Features eines Onlineshops um. Dabei bleibt die Vorgehensweise immer einheitlich und nachvollziehbar.
Von den User Storys bis zum MVP
In einem ersten Schritt definieren wir gemeinsam mit dem Kunden die erwarteten Ziele und leiten davon sogenannte User-Storys ab. Dabei kann es passieren, dass die Liste der Storys sehr umfangreich wird. Daher wird im nächsten Schritt eine Selektion der Liste vorgenommen und daraus ein übersichtliches „MVP-Paket“ geschnürt.
Was sind User Storys?
Wonach sucht der Endkunde in meinem Onlineshop? Wie möchte er bezahlen? Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigen sich User Storys. Sie beschreiben in maximal zwei Sätzen, was sich die Nutzer wünschen.
Beispiel: „Schnäppchenjäger möchten immer aktuell über neue Rabatt-Angebote informiert werden.“
User-Storys werden in Workshops zum Projektstart niedergeschrieben, um daraus unter anderem die Anforderungsanalyse abzuleiten.
Mit der Liste der User Storys haben unsere Kunden immer den perfekten Überblick, wie das realisierte Produkt aussehen wird. Zusätzlich sammeln wir und unsere Kunden Anforderungen, die für die spätere Erweiterung des MVP genutzt werden können.
Die gemeinsame Vorarbeit mit dem Kunden ist damit abgeschlossen, die unserer Entwickler und Product Owner fängt dann erst richtig an. In Teamarbeit werden die Inhalte des MVP genau analysiert und die User-Storys auf detaillierte Aufgaben für die Entwicklung heruntergebrochen. Dann geht es an die Umsetzung.
Dabei gilt:
- Sind alle Aufgaben einer Story erfüllt, ist die Story erfüllt
- Sind alle Storys erfüllt, ist das MVP fertig
Selbstverständlich läuft das in der Praxis nicht immer ganz so reibungslos wie in der Theorie ab. Rückfragen zu Aufgaben oder verschiedenen Storys, die weitere Informationen benötigen, gehören gelegentlich dazu. Das ist aber ganz normaler Alltag.
Fazit
Der große Vorteil eines Minimum Viable Products liegt in der Geschwindigkeit der Umsetzung. Und ein MVP ist ein wichtiger Faktor, um die Motivation im Team (= Auftraggeber/Kunde und Agentur/Dienstleister) dauerhaft hoch zu halten. Es werden ständig Ergebnisse produziert, die man sehen, testen und optimieren kann. So entfällt ein Blindflug, alle Beteiligten sind ständig „am Ball“.
Zudem gibt es stets die Möglichkeit, das grundlegende Konzept zu optimieren und an neue Erkenntnisse anzupassen. Das ist gerade im E-Commerce wichtig, denn die Ansprüche und Anforderungen der Endkunden verändern sich ständig. Was zum Projektstart vielleicht noch angesagt war, kann nach ein paar Monaten bereits ein alter Hut sein.
Bilder: Freepik, netz98, iStock