Die wachsende Zahl verschiedenster Payment-Verfahren im E-Commerce beschert Kunden mehr Flexibilität und Shopbetreibern oft einen höheren Umsatz – sofern letztere ihr Geld tatsächlich erhalten. Wie sich Unternehmen durch Dienstleister und Technologie gegen Zahlungsausfälle schützen können, zeigen wir in diesem Blogbeitrag.
BNPL: Neue Ratenzahlung auf dem Vormarsch
Parallel zum E-Commerce wächst die Vielfalt an Payment-Methoden, die in der Branche angeboten werden. Die Kundschaft nutzt sie gerne, vor allem, wenn ihr dadurch neue Möglichkeiten eröffnet werden. Ein Trend, der sich in dieser Hinsicht in den vergangenen Monaten durch einschlägige Fachmagazine und immer mehr Onlineshops gezogen hat, ist eine erweiterte Form der altbekannten Ratenzahlung: Unter dem Motto „Buy now, pay later“ (BNPL) haben Kunden die Möglichkeit, entweder die Kosten von höherpreisigen Produkten über einen längeren Zeitraum in einzelnen Teilzahlungen zu begleichen oder sogar den Gesamtpreis zu einem späteren Zeitpunkt zu bezahlen. Allerdings läuft dieser Prozess nicht über spezifische Angebote der jeweiligen Händler ab, sondern über spezialisierte Payment-Service-Provider (PSP). Zahlungsdienstleister wie Afterpay, Affirm oder Laterpay legen ihren Schwerpunkt auf Ratenzahlungen, doch auch PayPal oder Klarna bieten entsprechende Funktionen.
Wie die Studie Global Consumer Survey von Statista in ihrem E-Commerce-Special 2021 ermittelt hat, schließen zwar knapp 40 Prozent der befragten Konsumenten aus Deutschland die Nutzung von BNPL kategorisch aus. Doch 46 Prozent geben an, dass sie das Verfahren bereits genutzt haben oder ihm grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen. Folgt man der aktuellen Berichterstattung und internationalen Umfragen, ist BNPL vor allem bei jungen Online-Shoppern beliebt. Sie halten oft nichts von Kreditkarten und verfügen nicht über die nötige Liquidität, um höhere Beträge auf einen Schlag zu begleichen. Wollen E-Commerce-Händler also zukunftsweisend in ihrem Payment-Mix aufgestellt sein, werden sie um BNPL in ihrem Onlineshop wohl künftig kaum herumkommen. Das gilt jedoch nicht nur für den B2C-Bereich. Auch im B2B gibt es noch Nachholbedarf in punkto Ratenkauf, wie eine Payment-Erhebung im Auftrag von Creditreform zeigt: Danach bieten nur 17 Prozent der befragten Onlineshop-Betreiber diese Option ihrer Kundschaft an. Auf PayPal setzen dagegen schon fast 70 Prozent.
Dienstleister federn Zahlungsausfall ab
Die Kooperation mit einem BNPL-Anbieter bringt durchaus Vorteile für Händler mit sich: Waren sie bei der althergebrachten Ratenzahlung noch dem Risiko ausgesetzt, dass die Käufer in Zahlungsverzug geraten oder insolvent werden, sorgt der BNPL-Provider für einen sicheren Zahlungseingang. Er übernimmt das Risiko eines Zahlungsausfalls des Kunden gegenüber dem Händler und überweist diesem sofort nach dem Produktversand das Geld. Gleichzeitig bietet die BNPL-Option im Onlineshop das Potenzial für einen Umsatzanstieg, da sie mehr Verbrauchern die Möglichkeit gibt, höherpreisige Produkte zu erwerben, die diese sich sonst nicht leisten könnten. Jedoch verlangen die einschlägigen BNPL-Provider natürlich Gebühren für die Bereitstellung ihrer Leistungen von den E-Commerce-Unternehmen.
Diese Beiträge werden meistens über einen prozentualen Anteil an den einzelnen BNPL-Transaktionen abgerechnet. Damit sich die Ausgaben für den BNPL-Provider amortisieren, muss das erhoffte Umsatzplus bzw. die Marge durch die neue Payment-Methode also tatsächlich hoch genug ausfallen. Ansonsten zahlen die Shopbetreiber von Grund auf drauf. Ob eventuell durch den Provider abgefangene Zahlungsausfälle daran etwas ändern können, lässt sich nicht allgemeingültig gegenrechnen. Überdies stellt sich die Frage nach dem Rechtsrahmen bezüglich des Datenschutzes. Trotz Auslagerung der BNPL-Methode an einen Dienstleister bleibt der Shopbetreiber meist selbst in der Pflicht, die Informationen über seine Kundschaft vor Sicherheitslücken zu bewahren.
Risikoeinschätzung durch Künstliche Intelligenz
Sowohl bei der Ratenzahlung als auch bei anderen digitalen Payment-Arten haben E-Commerce-Unternehmen – abseits von externen Dienstleistern – auch technologische Möglichkeiten, um Risiken abzumildern. Dazu zählen vor allem Instrumente der Künstlichen Intelligenz (KI). Ein wichtiges unter diesen Werkzeugen hört auf den Begriff „Predictive Analytics“ und analysiert Kundenverhalten per Machine Learning. Daten zum Verhalten in Vergangenheit und Gegenwartwerden zu Kundenprofilen verknüpft und hinsichtlich bestimmter Kontexte von der KI analysiert, für die dadurch Prognosen zum künftigen Kundenverhalten entstehen: Dabei kann es beispielsweise um Verhaltensanalysen zur Nutzung bestimmter Online-Angebote gehen, um Bedarfsermittlung bei einzelnen Waren oder eben um die Vertrauenswürdigkeit der Konsumenten hinsichtlich ihrer Finanzkraft bzw. krimineller Aktivitäten.
Das Ausfallrisiko von Kunden wird dabei über Rating-Scores angegeben, die die Software aus Informationen externer Datenbanken zur Kreditwürdigkeit der Personen berechnet. Die KI berücksichtigt frühere Zahlungsausfälle- oder Rückstände und die gegenwärtige Finanzsituation bezüglich etwaiger Schulden oder laufender Kredite. Auch Wahrscheinlichkeiten für Betrugsfälle kann KI durch Methoden der Predictive Analytics einschätzen. Inkassobüros und Kriminalbehörden setzen auf diese Hilfe bereits seit Längerem. E-Commerce-Unternehmen können solche intelligenten Analysen mit speziellen Tools diverser Anbieter durchführen. Oftmals haben bereits die jeweils genutzten ERP- oder Shopsystem-Anbieter entsprechende Software im Portfolio. So beinhaltet etwa die Adobe Experience Cloud die Möglichkeit, mit Predictive Analytics die lukrativsten Kundensegmente zu identifizieren, um von vorneherein das Risiko für Zahlungsausfälle zu minimieren.
Zusätzlich kann sogenanntes Hyper Targeting die Sicherheit für Shopbetreiber erhöhen. Zwar stammt dieses Konzept, durch Algorithmen eine Segmentierung von Inhalten für bestimmte Kundenkreise vorzunehmen, ursprünglich aus dem Marketing – inzwischen findet es aber auch im Inkasso-Management häufiger Anwendung. Dabei werden Kundendaten aus allen möglichen Touchpoints von der intelligenten Software zusammengezogen und zur Einteilung von Zielgruppen genutzt. Für den Inkasso-Bereich werden externe Datenbanken zur Kategorisierung mitberücksichtigt und dadurch potenzielle Kunden nach Solvenz oder betrügerischen Absichten sortiert. Diese Form des Hyper Targeting ist oft als Ergänzung zu den Predictive Analytics im Einsatz. Schließlich liegt ihr Schwerpunkt auf der Bewertung vorhandener Daten, während der Predictive-Ansatz sein Fokus auf die Vorhersage des Zukunftsverhaltens legt.
Den Schwierigkeiten zuvorkommen
Ob E-Commerce-Unternehmen letztlich Zahlungsausfälle mit den Payment-Tools externer Dienstleister umgehen oder Probleme mit finanzkritischer Kundschaft durch intelligente Software abwenden – immer geht es darum, monetären Schwierigkeiten zuvorzukommen. Prävention ist im Zeitalter des Online-Payments zunehmend wichtig, um den eigenen Umsatz nicht zu gefährden. Dafür werden entlang der Customer Journey zum Glück genügend Daten als Anknüpfungspunkte geboten – ob beim Checkout oder auf dem Weg zur Kaufentscheidung. Bei letzterem können beispielsweise intelligente Chatbots bestimmte Sprachmuster im Kundenkontakt identifizieren und den Kundenservice auf womöglich problematische Kunden hinweisen. Und im Checkout sollte, abseits der trendigen BNPL-Methode, der Schwerpunkt lieber auf Zahlungsoptionen im Sofortmodus gesetzt werden. So bleiben den Shopbetreibern böse Überraschungen erspart.
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