Im letzten Beitrag zum Brand- und Performance-Marketing im E-Commerce ging es um die Basics, also Strategie, richtiges Set-Up des Onlinehsops und die Auswahl der passenden Kanäle. In Teil 2 erklärt Dominik Heck von add2, wie die Performance gemessen wird und wie sie sich weiter steigern lässt, hin zu einem 360° Digital Marketing.
Wie wird der RoI eigentlich gemessen?
Die Online-Marketer kannten jahrelang nur einen Weg, den Umsatz einer Maßnahme zu messen, nämlich „The winner takes it all“. Als „Winner“ wird in der Regel der letzte Kontaktpunkt vor dem Kauf angesehen. Es gibt verschiedenste Methoden den „Winner“ zu erfassen, beispielsweise Post Click: Der letzte Klick ist auschlaggebend, oder Post View: Auch ein reiner Sichtkontakt kann ausschlaggebend für einen Sale sein – diese Methoden wurden dann je nach „Geschmack“ mit verschiedenen Zeitfenstern versehen. Etwas vereinfacht bedeutet dann „Post-View-30 Tage“: Hat ein User innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Sale ein Werbemittel im Browser gesehen, wird diesem Kontakt der Verkaufserfolg zugerechnet. Und jetzt mal im Ernst – glauben Sie daran?
Folge dieser verzerrten Erfolgsmessung ist häufig, dass Kanälen, die kurz vor dem Verkauf in der Customer Journey agieren (z. B. SEA oder Preisvergleicher), viel Erfolg zugeschrieben wird. Umgekehrt gelten Kanälen, die früher in der Customer Journey stehen (z. B. Display und Native Ads) eben weniger. Wenn Sie auf dieser Basis Ihr Budget allokieren, liegen Sie – wie ein nicht unerheblicher Teil der Performance-Marketing Treibenden – wahrscheinlich daneben. Sie werden zu viel in Pull und zu wenig in Push investieren. Als Folge wird Ihr Shop langsam schrumpfen.
Bessere Attributionsmodelle für das Performance-Marketing im E-Commerce
Diese veralteten Methoden der Erfolgsmessung sind mit ein Grund für den hohen Umsatz von Google und anderen Suchmaschinen. Mittlerweile herrscht bei manchen Werbetreibenden ein wahrhafter „Cookie-Krieg“, in dem es nur darum geht, den letzten Kontaktpunkt vor dem Verkauf zu besetzen. Dabei spielen neben den Suchmaschinen vor allem Retargeting und Affiliate-Post-View Publisher eine große Rolle.
Aus diesem Grund war unsere Agentur eine der ersten, die ein eigenes Attributionsmodell aufgesetzt hat. Attributionsmodelle ersetzen die veraltete Post-Click-Post-View Logik und analysieren für jeden einzelnen Kunden die individuelle Customer Journey. Die Attributionslogik verteilt dann den Erfolg (den Umsatz) auf die verschiedenen Kanäle. Hat zum Beispiel ein Kunde vor seinem Klick auf Ihren Markennamen bei Google ein Banner und ein Native Ad gesehen, wird das Attributionsmodell den Erfolg auf alle drei Kanäle verteilen. Gute Attributionsmodelle verteilen den Erfolg dabei dynamisch, insbesondere nach der Qualität des Werbekontaktes. Attributionsmodelle der ersten Generation gehen oft noch nach starren Methodiken (z. B. U-Verteilung, Badewanne, J-Kurve usw.) vor.
Nutzen Sie also gute Attributionsmodelle, um Ihre Grenzerfolgskurve zu ermitteln. Die Pull-Kanäle werden nach wie vor die wichtigste Rolle im Performance-Marketing für Ihren Shop spielen, müssen aber realistisch beurteilt werden! Allokieren Sie Ihr Performance-Budget auf Basis dieser realen Grenzkurve. Betrachten Sie dabei die Kanäle möglichst granular. SEA etwa ist nicht einfach „der Kanal“ SEA, sondern besteht aus vielen Subkanälen (Adgroups), die alle ihren eigenen Attributions-RoI haben. Überprüfen Sie Ihre Budget-Allokation regelmäßig!
Den gesamten Shop skalieren
Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht, einen sauber laufenden Shop, gut allokierte Performance-Kanäle und eine fitte Agentur, die Herr all dieser Prozesse ist? Dann haben Sie bis hierhin alles richtig gemacht. Im besten Fall sind Ihre Wettbewerber noch nicht so weit, und Sie können durch Ihren Vorsprung Marktanteile dazu gewinnen und natürlich wachsen. Das wird aber nur in den seltensten Fällen eintreffen, da die meisten Märkte gesättigt sind und damit ein harter Wettbewerb einhergeht. Das beste Beispiel ist der Fashion-Markt.
Ein erfolgreiches Performance-Marketing im E-Commerce muss daher das Ziel verfolgen, die gesamte Grenzerfolgskurve nach außen zu schieben, das heißt, auf allen Pull- und Performance-Kanälen mehr Umsatz bei mindestens gleichen oder besseren RoIs zu generieren. Mehr User sollen nach Ihrem Shop suchen, mehr Personen in Ihrem Call-Center anrufen, die Newsletter-Abonnentenzahl soll auch wachsen und die Retargeting-Population skalieren.
Nun liegt es in der Natur der Pull-Kanäle, dass sie nicht aus sich selbst heraus skalieren können. Sie benötigen also einen Push von außen.
Vom Perfromance- zum Brand-Marketing und wieder zurück
Push heißt im Wesentlichen, Ihre Marke und / oder Ihr Produkt bekannt zu machen, sprich Produkt-Marketing und Branding zu betreiben. Der schnellste und effizienteste Weg dies zu tun, sind Marketing- bzw. Branding-Kampagnen. Dabei steht der Einsatz von digitalen Medien im Vordergrund, da sie zum einen den Medienbruch vermeiden und zum anderen schon mit kleineren Budgets im sechs- oder siebenstelligen Bereich positive Auswirkungen auf die Grenzkurve nachweisbar sind. Im Gegensatz zu den Performance- bzw. Pull-Maßnahmen werden bei Brand-Marketing-Kampagnen andere Kanäle eingesetzt, die nicht unmittelbar den Klick und den folgenden Kauf als Primärziel haben, sondern auf die Erinnerbarkeit und die Aufnahme ins Relevant Set der Konsumenten zielen. Dementsprechend stehen bei diesen Kampagnen andere KPIs im Vordergrund (z. B. Gross Rating Points, Visibility und Viewtime, First Choice oder Recall).
Customer Journey / Kaufentscheidungsprozess
Performance-Marketer reagieren auf diese Maßnahmen oft mit Unverständnis nach dem Motto: „Was nicht direkt messbar auf den Umsatz einzahlt, bringt uns nicht weiter“. Diese Betrachtungsweise ist kurzfristig gedacht und falsch. Dazu muss man sich den Kaufzyklus vergegenwärtigen. Produkte werden nicht ständig gekauft, sondern in bestimmten Lebenszyklus-Abständen (ein Mobiltelefon etwa ungefähr alle eineinhalb Jahre). Das heißt, nur ein kleiner Teil der Nutzer ist gerade im Kaufentscheidungsprozess und daher mit Performance-Maßnahmen erreichbar. Der Großteil steht vielleicht noch vier Wochen oder vier Monate vor der Kaufentscheidung. Und genau diese Nutzer sind das Potenzial, das Marketing-Kampagnen für die Performance- / Pull-Maßnahmen aktivieren können. Nur wenn diese noch unentschlossenen Nutzer Ihre Marke im Relevant Set haben, wird das Performance-Marketing im E-Commerce überhaupt greifen können. Und genau dieser Effekt ist technisch schwierig messbar – selbst mit Attributionsmodellen (bei großen Budgets können Modellings statistische Wirknachweise erbringen, diese sind jedoch sehr aufwändig und teuer).
Es gibt jedoch einige übergreifende technische KPIs, die auch die Performance-Marketer ins Boot holen. So steigen langfristig die Conversion-Raten aller Kanäle. Die Suchanfragen nach der Marke werden zunehmen und so auch der Umsatz im Kanal Search, ebenso wie die User-Zahlen auf Ihrem Onlineshop.
Fazit: Suchen Sie sich Partner, die wirklich 360° Digital Marketing beherrschen!
Eine gute Digital Marketing Kampagne strategisch zu planen, einzukaufen und umzusetzen erfordert von der Agentur ein gänzlich anderes Skillset als das Performance-Marketing. Daher sollten Sie Marketing-Kampagnen (mit Kanälen wie Display Großplatzierungen, Events, Digital-TV, Digital Out-of-Home, Digital Audio und Co.) nicht von Ihrer Performance-Agentur planen lassen. Andersherum fehlt es klassischen Mediaagenturen oft an Methodenkompetenz im Performance-Marketing.
Suchen Sie als Shop-Betreiber also eine Agentur, die digitales Performance- wie auch Produkt- bzw. Brand-Marketing im gleichen Maße beherrscht. Sie muss in der Lage sein, die großen Zusammenhänge zu verstehen und trotzdem im Detail mit höchster Methodenkompetenz zu arbeiten. Nur wer die Prozesse Ihres Online-Business versteht, kann diese auch skalieren.
Dieser Beitrag ist zuerst in den „Zukunftsthemen im E-Commerce“ 2016 erschienen