Seit Ende Mai gilt für den deutschen Onlinehandel eine neue EU-Verordnung, die auf den Namen Omnibus-Richtlinie hört. Sie soll den Verbraucherschutz und das Wettbewerbsrecht stärken. Welche Aspekte umfassen die Auflagen und was bedeuten sie für den E-Commerce? In unserem Blogbeitrag geben wir eine Übersicht zu den zentralen Inhalten.
Dieser Text gibt lediglich unsere Einschätzung der neuen Rechtslage wieder und stellt keine verbindliche Rechtsberatung dar.
Konsumentenrechte im Fokus der EU
Nun ist sie auch in Deutschland angekommen: Unter dem Titel „New Deal for Consumers” hatte die Europäische Union 2018 eine Initiative präsentiert, die das Verbraucherschutzrecht in Europa fit für die fortschreitende Digitalisierung machen soll. Seit 2020 ist die hierzulande als Omnibus-Richtlinie bekannte Regelung gültig. Bis Ende 2021 hatten die EU-Mitgliedsstaaten Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Im Mai 2022 trat die Richtlinie schließlich auch im deutschen Onlinehandel in Kraft. Ihr einprägsamer Name leitet sich vom lateinischen Wort „Omnibus“ ab, was „für alle geltend“ bedeutet und darauf hinweist, dass die EU beinahe alle, teils jahrzehntealten, rechtlichen Leitlinien zum Verbraucherschutz modernisiert hat. Zu der Reform zählen Verpflichtungen der Händler zu mehr Transparenz – etwa bei der Preisgestaltung- und Angabe – sowie einheitliche Sanktionen bei Verstößen gegen die Richtlinien.
Im Gegensatz zu einer EU-Verordnung muss eine solche EU-Richtlinie nicht einheitlich von allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Sie bildet vielmehr einen Rahmen, in dem die Länder mit einem gewissen Spielraum ihre nationalen Gesetze festlegen können. In Deutschland hat die Bundesregierung die Gesetzestexte in Zusammenarbeit mit dem Händlerbund ausgestaltet. Dieser hat nach eigenen Angaben darauf geachtet, dass insbesondere kleine und mittelständische Onlinehändler nicht über Gebühr mit Pflichten belastet werden, die sie überfordern. Es ist jedoch generell nicht so, dass ausschließlich die Konsumenten von der Omnibus-Richtlinie profitieren. Auch für die Händler bringt sie einen gewissen Vorteil mit sich, von dem nachher noch die Rede sein wird.
Die vier Säulen der Transparenz
Im Wesentlichen besteht die Omnibus-Richtlinie aus vier Elementen, die letztlich alle zu einer höheren Transparenz im E-Commerce beitragen sollen – sowohl gegenüber Verbrauchern als auch zwischen den Akteuren des Marktes:
- Verbraucherrechte: Hier geht es vor allem darum, bisherige Verbraucherrechte ausdrücklich um Aspekte des Onlinehandels zu erweitern, wie beispielsweise die Verwendung personenbezogener Daten. Webshops und Marktplätze werden in diesem Zusammenhang stärker reguliert. Beim automatisierten Dynamic Pricing zum Beispiel müssen sie nun darauf hinweisen, dass der angebotene Produktpreis anhand von Cookies individuell auf den Konsumenten zugeschnitten wurde. Eine stille Erhöhung bei mehrfachem Besuch einer Produktseite ist somit nicht mehr ohne Information der Verbraucher möglich. Zusätzlich müssen Onlinehändler die Kriterien offenlegen, die sie für das Ranking von Ergebnissen bei der Produktsuche als Maßstab anlegen. Außerdem sind Marktplatzhändler fortan klar als Unternehmer zu kennzeichnen, wenn sie eindeutig keine Privatanbieter sind. Bußgelder, die bei Verstößen gegen die Verbraucherrechte fällig werden, sind durch diesen Teil der Richtlinie ebenfalls eindeutig geregelt.
- Preisangaben: Dieses Element der Omnibus-Richtlinie fordert für die Konsumenten eine bessere Übersicht über Preisverläufe der vergangenen Wochen ein. Reduzieren Onlinehändler den Preis eines Produktes und kennzeichnen dies werblich, müssen sie vom niedrigsten Preis ausgehen, den das Produkt in den letzten 30 Tagen hatte. Somit können die Konsumenten leichter einschätzen, ob das Angebot tatsächlich so günstig ist, wie es scheint.
- Unlautere Geschäftspraktiken: Dieser Punkt nimmt vor allem den Staat in die Pflicht, Verbrauchern im E-Commerce stärker zur Seite zu springen. Dazu zählt vor allem, dass er Rechtsschutzmöglichkeiten sicherstellt, wenn sie Opfer unlauterer Geschäftspraktiken werden. In Deutschland wäre die Verbraucherzentrale hier erste Anlaufstelle. Zudem sollen die Hürden für Verbraucher gesenkt werden, um leichter eigene Ansprüche geltend zu machen, etwa bei Schadenersatzansprüchen im Fall von Wettbewerbsverstößen. Allerdings ist der Gesetzestext diesbezüglich vage formuliert.
- Missbräuchliche Vertragsklauseln: Rechtswidrige Inhalte in Verbraucherverträgen führen nach der Omnibus-Richtlinie zu Bußgeldern gegenüber den Händlern. Verstöße gegen die Informationspflichten werden mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro geahndet. Bei länderübergreifenden Verstößen innerhalb der EU kann das Bußgeld bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes des Onlinehändlers betragen – sofern der Jahresumsatz im vorigen Geschäftsjahr über 1,25 Millionen Euro lag. Ist der Umsatz nicht feststellbar, liegt das Bußgeld-Maximum bei 2 Millionen Euro.
Typische Abmahnfallen für den Handel
Bei der Umsetzung der Omnibus-Richtlinie gibt es ein paar typische Stolperfallen für E-Commerce-Unternehmen, in die sie in ihrer Alltagspraxis schnell tappen können. Die dadurch anfallenden Abmahnungen und Bußgelder lassen sich aber meist leicht vermeiden. Nötige Änderungen an Informationstexten und Produktbezeichnungen geraten leicht in Vergessenheit. Veröffentlichen Onlinehändler zum Beispiel Kundenbewertungen, müssen sie im Shop darüber informieren, wie sie gewährleisten, dass es sich um echte Bewertungen realer Kunden handelt. Vertreiben die Händler digitale Produkte wie Software, unterliegen sie Informationspflichten zu Funktionalität und Kompatibilität sowie zu Gewährleistungsansprüchen der Verbraucher. Grundsätzlich sollten Onlinehändler verstärkt auf die Formulierungen von Rechtstexten, beispielsweise zum Widerruf, achten. Sie müssen mehr denn je zum eigenen Geschäft passen und dürfen nicht zu allgemeingültig formuliert sein.
Ebenso ist bei Preisangaben erhöhte Vorsicht geboten: Gerne einmal haben Händler vor Beginn einer Rabattaktion den Preis kurzzeitig angehoben, um die Aktion noch lukrativer für die Kundschaft aussehen zu lassen. Damit ist durch die besagte 30-Tage-Regelung nun Schluss. Infolge der Omnibus-Richtlinie ist dieses Vorgehen klar rechtswidrig. Darüber hinaus setzt sie Händlern bei der Angabe der Grundpreise je Mengeneinheit neue Grenzen. Bislang galt eine Ausnahmeregelung für geringe Volumen oder Gewichte von unter 250 Milliliter oder Gramm. Hierbei konnte der Grundpreis auf 100 Gramm bzw. Milliliter angegeben werden. Für eine einheitlichere und besser vergleichbare Preisangabe erfordert die Omnibus-Richtlinie jedoch, die Grundpreise auch für diese kleineren Mengen auf Kilogramm und Liter herunterzurechnen. Hier müssen Händler schnell tätig werden und alte Angaben überarbeiten.
Handhabe gegen unlautere Mitbewerber
Wie eingangs erwähnt, stärkt die Omnibus-Richtlinie aber nicht nur den Konsumenten, sondern zugleich auch dem Handel den Rücken. Denn: Je klarer zentrale Wettbewerbsaspekte wie Preisgestaltung und Shop- bzw. Produktbewertungen geregelt sind, desto vergleichbarer wird der Markt. Gerade im bislang so unübersichtlichen Onlinehandel können Anbieter somit schneller feststellen, wo ihre Konkurrenten gegen Auflagen verstoßen, um sich Vorteile zu verschaffen. Und sie haben durch die dezidierte Rechtsgrundlage der Omnibus-Richtlinie – wie die Verbraucher – eine bessere Handhabe gegen Verstöße. Klagen sind von Beginn an eindeutig und ersparen den Unternehmen Ausgaben für lange Rechtsstreits. Was den Konsumenten ganz klar nutzt, ist für den Handel also nicht nur eine zusätzliche Bürde sein. Vielmehr erlaubt die Omnibus-Richtlinie einem E-Commerce-Anbieter, sich selbst besser auf dem Markt verorten und einschätzen zu können.
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