Überall und zu jeder Zeit einkaufen können – das ist nicht mehr neu, sondern ganz alltäglich und daher ein zentrales Kundenbedürfnis, dem Händler nachgehen müssen. Denn nur, wer diesen Bedürfnissen standhält, wird stabile und wertvolle Kundenbeziehungen aufbauen können. Die Kundenforderung nach vielfältigeren, besser verknüpften Services einerseits und die Hoffnung, den Umsatz zu steigern sowie die Kosten durch kanalübergreifende Synergien zu senken, lassen viele Händler und Hersteller über Omnichannel-Konzepte nachdenken. Manchmal bleibt es allerdings bei dem ersten Konzept, denn der Aufbau von Omnichannel-Strukturen, die diesen Namen auch wirklich verdienen, ist äußerst komplex. Die Praxis setzt schließlich eine intelligente Omnichannel-Organisation und leistungsfähige, miteinander vernetzte Commerce-Applikationen voraus – allen voran E-Commerce-, POS- und Warenwirtschaftssysteme.
Mit welchen Hürden ist zu rechnen?
In der Regel können Auftraggeber aufgrund der Vielzahl von Kanälen, Systemen und Abhängigkeiten den gesamten Anforderungsumfang gar nicht überblicken. So sind zu Beginn eines Omnichannel-Projekts vielleicht noch Fragen zur zielgruppenspezifischen Kommunikation in den einzelnen Channels ungeklärt und können erst nach Tests beantwortet werden. Daraus folgt vielleicht, dass später Preise und Produktinformationen angepasst und unterschiedlich ausgespielt werden müssen, was wiederum Eingriffe in die korrespondierenden Systeme bedeutet. Der Teufel steckt häufig auch im Detail: So funktioniert vielleicht die geplante Online-Reservierungsfunktion noch bei Einzelartikeln, aber nicht mehr, wenn mehrere Artikel aus unterschiedlichen Filialen zu einem Angebot zusammengefasst werden, z. B. einem Präsentkorb oder einem Party-Outfit.
Wie geht man also am besten vor?
In der Umsetzung und Weiterentwicklung empfiehlt sich ein agiles oder zumindest iteratives Vorgehen, geclustert nach den einzelnen Channels. Durch regelmäßige „Integrationstests“ stellt man die channelübergreifende Funktion sicher. Auf dieser Basis schreitet das Projekt voran, ohne dass Change Requests und Budgets ausufern. Außerdem müssen Auftraggeber den Mut haben, Hürden und Fehlentwicklungen einzukalkulieren. Natürlich gehört auch das Vertrauen in den Agenturpartner dazu, dass dieser Herausforderungen professionell bewältigt. Wie Händler die zentralen Herausforderungen eines Omnichannel-Commerce entspannt und erfolgreich meistern können, haben wir kurz und knapp in sechs Tipps zusammengefasst:
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„Mobile First“ zum zentralen Motto machen
Das Smartphone ist ein ständiger Begleiter auf der Customer Journey. Egal, an welchem Punkt des Entscheidungsprozesses sich der potenzielle Kunde befindet, das Smartphone führt ihn schnell zu den notwendigen Informationen. Händler müssen also mobil optimal aufgestellt sein – zumal der Schritt von der anfänglichen Informationssuche zum getätigten mobilen Einkauf nicht weit ist. In asiatischen Märkten ist „mobile first“ übrigens schon Schnee von gestern, hier heißt es längst „mobile only“.
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Dem Silodenken entgegenwirken
Um dem Kunden ein nahtloses Einkaufserlebnis zu bieten, ist es erforderlich, sämtliche Prozesse und Absatzkanäle zu einem organischen Ganzen zu kombinieren. Diesem Vorhaben stehen allerdings häufig die langjährig gewachsenen Vertriebs- und Marketingstrukturen eines Unternehmens entgegen. Es gilt aber: Der Kunde steht im Fokus, nicht die Denkweise einzelner Abteilungen. Agile Formen der Zusammenarbeit und Offenheit für neue Vorgehensweisen –auch abteilungsübergreifend – sind Voraussetzungen für einen erfolgreichen Omnichannel-Commerce.
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Auch das Design muss „für den Kunden“ gemacht sein
Design und Usability spielen im (E-)Commerce eine entscheidende Rolle. Das Auge „kauft“ schließlich mit. Design und Usability prägen nachhaltig das Markenerlebnis und sind der Schlüssel für eine hohe Konversion. Umso wichtiger ist es, dem Kunden auch hier das Beste vom Besten zu liefern. Je besser das Design auf den individuellen Nutzer in der jeweiligen Situation ausgerichtet ist (also eine hohe Usability aufweist), umso größer der Erfolg.
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Einen Single-Point-of-Truth schaffen
Immer zu wissen, was den Kunden interessiert, setzt vor allem die Verfügbarkeit verlässlicher und relevanter Daten voraus: Der Kunde und sein Einkaufsverhalten, aber auch Artikeldaten, die für eine lückenlose Produktbeschreibung zusammenspielen, gehören in diesen Datenpool. Omnichannel-Händler benötigen deswegen mindestens Webanalyse-Tools sowie ein CRM- und ein ERP-System, die wiederum als Datenquellen für ein Data Warehouse dienen. Daten liegen dann – auch für eine detaillierte Analyse – in einem Single-Point-of-Truth vor.
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Mit einer agilen Commerce-Plattform arbeiten
Erfolgreicher Omnichannel-Commerce hat viel mit „Trial and Error“ sowie der ständigen Anpassung an Marktgegebenheiten und Kundenbedürfnisse zu tun. Das erfordert eine zentrale Commerce-Plattform, mit der jederzeit neue Ideen und Strukturen ausprobiert, bewertet, aber auch verworfen werden können. Dies gelingt nur mit Shopsystemen, die als Framework konzipiert sind, denn dann lassen sich alle Aus- und Eingabekanäle – auch POS-Anwendungen – individuell anbinden und jederzeit anpassen.
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Omnichannel zu Omni-Commerce weiterentwickeln
Omnichannel ist immer noch aus der Perspektive der Absatzkanäle gedacht. Wenn es aber darum gehen soll, das Bedürfnis der Kunden überall und jederzeit zu befriedigen, dann muss sich Omnichannel zum Omni-Commerce weiterentwickeln. Dabei werden alle Aspekte rund um den Einkaufsprozess wie Beschaffung, Logistik, Präsentation, Sortimentspolitik, Bestellung, Versand, Retouren und Bezahlmöglichkeiten als Services für den Kunden begriffen und möglichst ganz auf ihn ausgerichtet.