Große Unternehmen, die mit mehreren verschiedenen Partnern, Lagern und Standorten agieren, stoßen bei den Standard-Funktionen vieler E-Commerce-Systeme mit ihren Anforderungen häufig an ihre Grenzen. Hier hilft ein flexibles Shopsystem wie Adobe Commerce und die Expertise eines entsprechenden Dienstleisters, der mit den richtigen Anpassungen die erforderlichen Maßstäbe setzen kann. Ein Use Case aus einer unserer Projekterfahrungen.
Basis-Erweiterungen als KPI
Die Weiterentwicklung im E-Commerce hängt von vielen Faktoren ab, die meistens Hand in Hand gehen. Zum einen gibt der Markt Trends vor, die Unternehmen in ihre Strategie aufnehmen, zum anderen können spezielle Anforderungen von Shopbetreibern neue technologische Standards in die Wege leiten. So ist es auch bei einem unserer Kunden – ein Verbundunternehmen, das eine große Anzahl an Gesellschaftern in der Baubranche in sich vereint.
Für das Unternehmen war es bei der E-Commerce-Strategie wichtig, dass jeder Gesellschafter eine eigene E-Commerce-Plattform erhält – basierend auf derselben Master-Plattform. Und jeder dieser sogenannten Masterklone muss umfangreiche Anforderungen erfüllen, die spezielle Entwicklungsarbeiten erfordern.
Zum Beispiel sollen die Kunden jedes Gesellschafters unter anderem die Möglichkeit haben, die Lieferoptionen und den Bestand genau einsehen zu können. Beispielsweise ob eine bestimmte Wandfarbe in einem gewählten Lagerstandort abholbar ist oder gar direkt geliefert werden kann.
Allein aus diesen Anforderungen entstand eine hochkomplexe Logik-Kette, die mit den Standard-Funktionen von Adobe Commerce – und erst recht nicht mit einem anderen Shopsystem – so nicht abbildbar sind. Deshalb hat netz98 zwei wichtige Kern-Features des Shopsystems so umgeschrieben, dass sie ganz neue Möglichkeiten zulassen.
Standortlogik: Das Multi Stock Inventory Extended
Das erste dieser erwähnten Features betrifft das Multi Stock Inventory (MSI) von Adobe Commerce. Wie der Name schon verrät, ist dieses Tool nativ für die Steuerung von verschiedenen Lagern ausgerichtet – genauer gesagt für die Verwaltung verschiedener Stocks (Bestand/Produktportfolio) von den jeweiligen Lagern und Händlern.
Hierbei musste das Team von netz98 aber einige individuelle Anpassungen vornehmen, um erweiterte Anforderungen erfüllen zu können: Für unseren Kunden war es wichtig, dass eine Stückzahlanzeige oder eine Ampelanzeige zu den jeweiligen Produkten an den betreffenden Standorten angezeigt wird. Außerdem sollten zu jederzeit die Lieferoptionen zu den Artikeln ersichtlich sein.
Dabei werden die Waren wie folgt in zwei Überkategorien unterteilt:
- Stock: Produkte, die bei dem jeweiligen Gesellschafter generell immer lagernd sind. Dies sind auch Positionen, bei denen die Stückzahl entweder durch eine Ampelfärbung angezeigt wird (Grün=Genug vorhanden, Gelb=einiges vorhanden, kann aber für größere Bestellungen nicht reichen sowie Rot=nur noch wenige Exemplare vorhanden) – oder in absoluten Stückzahlen. Die Schwellenwerte, wann ein Produkt bei welcher Stückzahl welche Farbe bekommt, werden bei jedem einzelnen Artikel individuell von dem Gesellschafter bestimmt.
- Non-Stock: Dies sind Produkte, die grundsätzlich immer zum Portfolio des gewählten Gesellschafters gehören, aber nur dann eingelagert werden, wenn es Kunden explizit in einer bestimmten Stückzahl bestellen. Dies kann zum Beispiel auf sehr große Waren wie Holzlatten-Rohlinge zutreffen.
Diese zwei Kategorien lassen sich, je nach Gesellschafter, noch einmal in drei Unterkategorien aufteilen:
- Lagerartikel, die jederzeit bestellt werden können. Hier greift wieder das angesprochene Ampel- und Stückzahl-Prinzip.
- Kommissions-Artikel, die auch direkt am gewählten Lagerstandort vom Kunden abgeholt werden können. Auch hier wird unter bestimmten Voraussetzungen die Ampel angewendet.
- Streckenartikel, die nicht abgeholt werden können und auch in der Regel nicht im Lager vorhanden sind. Diese Produkte können nach Bestellung direkt vom Zulieferer zum Kunden geschickt werden. Wie bei den anderen beiden Artikelvarianten kann hier ebenfalls die Ampel angewendet werden.
Wie sich erahnen lässt, setzt dies eine präzise Planung und eine performante Verbindung der verschiedenen Warenwirtschaftssysteme zwischen Zulieferer à Gesellschafter à Kunde voraus. Der Entscheidung, welche Waren in welche Kategorie eingeordnet werden und die dementsprechende Bezeichnung bekommen, liegt ein komplexer Entscheidungsbaum zugrunde. Dieser listet alle möglichen Zustände und Fälle und deren Konsequenzen/ Entscheidungen auf und definiert sie genau. Der Entscheidungsbaum war bei der Projekt-Entwicklung ein maßgeblicher Bestandteil, denn zum einen mussten im Backend die entsprechenden Abhängigkeiten geschaffen werden, zum anderen mussten im Frontend die jeweiligen Icons und Anzeigen richtig zugeordnet werden.
Im Angesicht all dieser Metriken benötigte das Adobe Commerce MSI einige Anpassungen. Vor allem die Abholfunktion und die Darstellung von weiteren Lagern, die das gewählte Produkt ebenfalls im Sortiment haben, ist keine native Funktion des Features, sondern wurde von netz98 implementiert.
Maximaler Kundennutzen mit Configurables
Natürlich muss auch die Produktdetailseite entsprechend auf die beschriebenen Szenarien angeglichen werden. Dahingehend müssen im Backend verschiedene Bedingungen geschaffen sein, damit für die Kunden der Gesellschafter jederzeit alles übersichtlich ist. Deshalb wurden bei der Projektentwicklung weitere Kernfunktionen von Adobe Commerce angepasst.
Zunächst hat sich netz98 einiger Funktionalitäten des Adobe Commerce Features Grouped Products bedient, um eine erweiterte Version der Configurables zu schaffen. Diese sind nötig, um in Verbindung mit der Logistiklogik alle möglichen Produkt-Konfigurationen für die verschiedenen Standorte tätigen zu können.
Das bedeutet konkret: Da Grouped Products in der Regel aus einzelnen sogenannten Simple Products bestehen, wurden die Produkte so angepasst, dass die Attribute einzeln anwählbar und über einen Konfigurator bedienbar sind.
Um dies zu verdeutlichen, hilft es, hier wieder das Beispiel der Wandfarbe hinzuzuziehen: Jedes einzelne Attribut des Produkts (zum Beispiel Farbton und Inhaltsmenge) ist ein Simple Product mit eigener SKU, das auf einer Produktdetailseite per Dropdown-Menü auswählbar ist. So gesehen ist dann jedes Produkt mit mehreren auswählbaren Attributen eine Art Grouped Product, für das eine neue SKU erzeugt wird. Für die Funktionalität mit der komplexen Standortlogik ist es wichtig, dass die Kunden bei der Auswahl der Attribute auf keine Reihenfolge in den Dropdowns angewiesen sind:
Bei diesem Produkt (siehe Screenshot) könnte es zum Beispiel sein, dass die Farbe Gelb nur in der Menge 0,75L an dem gewählten Standort verfügbar ist. Wählt der Kunde eine andere Größe zuerst, wird die Farbauswahl darüber ausgegraut und ist nicht anwählbar oder es erscheint eine Meldung wie „nicht auf Lager“. Für solche Szenarien ist es deshalb sehr wichtig, dass die Kunden bei der Produkt-/Attributauswahl die Möglichkeit haben, überall einzusteigen, anstatt nur in der festen Reihenfolge von oben nach unten agieren zu können.
Gerade diese beschriebene Funktionalität der Reihenfolge-Unabhängigkeit ist keine Standard-Funktion in Adobe Commerce und wurde von netz98 in einem aufwändigen Prozess implementiert. Ein weiterer Unterschied zum Adobe Commerce-Standard: Wie bereits anfangs erwähnt sind die Informationen der Produkte (Bestand, Lieferbarkeit) bei jedem Schritt im Shop ersichtlich und nicht erst beim Checkout.
Bilder: netz98