Was haben Trockenbauwände mit Meerjungfrauen zu tun? Und welche Verbindung gibt es zum Onlineshopping? Das zeigt unsere neue netz98-Kolumne auf.
In unserer neuen Blog-Kolumne schreiben die Mitarbeiter von netz98 ganz frei von der Leber weg über ein Thema ihrer Wahl. Ihre Standpunkte sollen anregen und Sie, liebe Leser, zum Diskutieren ermuntern.
Die Leiden eines Bauleiters
Hallo, mein Name ist Heiko Berg. Ich bin 36 Jahre alt, verheiratet und habe zwei kleine Kinder. Außerdem bin ich Bauleiter auf einer Baustelle in der Nähe von Münster. Es ist 7 Uhr, es ist nasskalt und ich bin genervt. Nach Plan hätten wir heute mit dem Estrich im zweiten Stock starten müssen – dabei stehen noch nicht einmal die Trockenwände. Ich könnte jetzt natürlich erst den Estrich aufbringen lassen und dann das Ständerwerk, doch dann gibt es Probleme mit dem Schallschutz. Vielleicht können wir das noch irgendwie wieder aufholen. Eigentlich müsste ich dringend ins Büro und Papierkram erledigen, aber ich muss hier den Babysitter für die Arbeiter machen.
Mein Vorarbeiter Ewald schlendert auf mich zu und grinst verschmitzt. Das heißt nichts Gutes! „Chef, wir haben ein Problem“. Ich hab’s gewusst. Jetzt sind statt CW-Profile für den Trockenbau doch tatsächlich UW-Profile geliefert worden. Die Drehstiftdübel hat Ewald auch nicht gefunden. Die Dübel kann er sich notfalls noch im nächsten Baumarkt besorgen, aber die Stahlblechprofile muss ich bestellen.
Ich rufe meinen Baustoffhändler an. Besetzt. Nach zwei weiteren Versuchen klappt es. Nein, ich habe keine Rechnungsnummer – ich bin auf der Baustelle. Ach wirklich, die Ware wurde ordnungsgemäß ausgeliefert? Ja, aber die falschen Bleche! Mann, dafür habe ich jetzt keine Zeit. Ich brauche die Profile. Sind aber keine mehr da, die muss der Händler erst besorgen. Das kann dauern. Er will sich heute noch melden.
Inzwischen ist es später Nachmittag und der Händler hat sich nicht gemeldet. Ans Telefon geht auch keiner mehr – wahrscheinlich ist es zu spät. Läuft heute. Nicht.
Am Abend sitze ich zuhause am Schreibtisch und suche auf Amazon nach einem Meerjungfrauen-Kostüm. Die Jüngste hat bald Geburtstag. Gelbe Flossen mit oder ohne Glitzer? Warum muss ich mich jetzt darum kümmern? Ich habe ganz andere Probleme!
Genervt suche ich bei Amazon nach CW-Profilen und habe 105 Treffer. Hätte ich nicht gedacht. Mal sehen: es gibt zwei Hersteller. Von BauFIT kostet der Meter netto 2,80 Euro. Das ist teuer. Bei DoItBau drei Euro genau. Kostenlose Lieferung bei BauFIT … aber erst in vier bis fünf Tagen. Dafür könnte ich jetzt gleich bestellen. Aber über Amazon Baumaterial bestellen?
Ich google einfach mal nach „CW-Profil“ und erhalte 110 Millionen Treffer, davon 400 bei Google-Shopping. Große Auswahl! Doch die Listen sehen komisch aus. Oft fehlen die genauen Maße und der Preis pro Meter oder das Bild stimmt nicht. Dafür werden teilweise 100 Euro Versandkosten angezeigt.
Bei BauFIT auf Amazon gab’s meine benötigten Profile versandkostenfrei. Ich suche die Marke über Google und finden den Onlineshop unter www.baupark24.de. Dort sehe ich auch ohne Anmeldung alle Produkte und Preise. So finde ich schnell die CW-Profile. Den Meter für netto 1,12 Euro, Lieferzeit ein bis zwei Tage. Bezahlen per Rechnung, Spedition angebunden … das klingt doch ganz gut.
Komisch, der Onlineshop hat kein Kundenkonto. Ich hatte einmal bei einem anderen Baustoff-Onlineshop gesehen, dass man im Kundenkonto seine Bestellungen vorausplanen kann. Also erst Produktlisten erstellen und dann bei Bedarf bestellen. Auch mit eigenen Excel-Listen, die man hochlädt. Zudem Zugriff auf alle Rechnungen, Verwaltung der Baustellenadressen, Rechnungen mit PO-Nummern und eigenen Artikelnummern versehbar – sehr praktisch. Für Einzelbestellungen konnte man sich ein individuelles Angebot erstellen lassen: Staffelpreise plus Sonderangebote plus Rabatte. Ich sah jederzeit, was meine Bestellungen machen und ob der Transporter schon geliefert hat.
So wird der Onlineshop zur Service-Plattform und hilft die Materialbeschaffung einfacher zu organisieren. Und das zu jeder Uhrzeit, an jedem Tag – sogar per Handy von der Baustelle aus. Klasse, das spart Zeit, Geld und Nerven. Ich probiere das später mal aus. Aber zuerst muss ich das Ding mit der Meerjungfrau erledigen. Glitzer, kein Glitzer …?
Und was hat das mit uns zu tun?
OK, Sie haben mich erwischt. Ich habe mir das alles nur ausgedacht. Doch ich weiß aus unzähligen B2B-Projekten, dass diese Geschichte genau so hätte passieren können. Es sind genau diese Geschichten, die mich und meine Kollegen interessieren, wenn wir im Team über Lösungen für unsere Kunden diskutieren.
Warum? Weil nur der Nutzer – in diesem Fall Heiko – wirklich weiß, was er braucht. Unsere Auftraggeber oder wir können hier oft nur spekulieren. Zu individuell sind heutzutage die Branchen, Märkte, Geschäftsmodelle und -prozesse. Zu verworren die Customer Journey, zu sprunghaft der Endkunde.
Benötigen Heiko oder Ewald aus meiner Geschichte einen Onlineshop mit Multi-User-Konten und Personen-/Gruppen-bezogenen und individuellen Katalogen, Zahlungslimits und Freigabeprozessen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Für sie zählt gerade in dringenden Fällen nur das Ergebnis. Und das müssen sie möglichst bequem, schnell und günstig erreichen.
Damit wir und unsere Kunden verstehen können, was der End-User eines Onlineshops bzw. einer E-Commerce-Plattform benötigt, müssen wir ihn bestmöglich verstehen lernen. Das gelingt, indem wir unter anderem alle betriebsinternen Quellen zur Erkenntnisgewinnung nutzen, Telefon- und Face-to-Face-Interviews durchführen sowie relevante Studien, Umfragen und Expertenmeinungen aus anderen Quellen besorgen.
Das Ergebnis dieser Sisyphusarbeit ist ein klares Kundenprofil, eine Top-10 der wichtigsten Schmerzpunkte sowie eine priorisierte Beschreibung aller Anforderungen. Das macht viel Arbeit, aber es lohnt sich. Nur so kann man herausfinden, was der Endkunde wirklich will. Das ist, was im E-Commerce letztendlich zählt. Auch im B2B!
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