Wie kann der Einkaufsprozess im B2B mit modernen Technologien wie KI, Chatbots und PWA deutlich vereinfacht und beschleunigt werden? Ein Innovationsteam von netz98 hat sich dieser Frage theoretisch und praktisch gestellt.
Hinweis: Elias ist Mitglied des Innovationsteam, das am netz98-Standort Santa Cruz (USA) das hier beschriebene MVP entwickelte. Er beschreibt aus seiner Sicht, wie er zusammen mit seinen Kollegen das Projekt realisierte.
Wie kann der Einkaufsprozess beschleunigt werden?
Obwohl überall von der Digitalisierung geredet wird, agieren viele Unternehmen noch ganz klassisch. Zum Beispiel bei der Nachbestellung von Materialien oder bei der Beschaffung von Ersatzteilen.
Wir ließen uns von folgendem Use Case leiten, welcher im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert und durch technische Anforderungen ergänzt wurde:
- Ausgangssituation: Ein Mitarbeiter eines Fertigungsunternehmens erkennt bei einem Routine-Check ein schadhaftes Bauteil an einer zu wartenden Maschine. Er ermittelt mit Hilfe des Handbuchs und/oder eines Datenblatts, um welches Teil es sich handelt und übergibt die Artikelnummer an die Einkaufsabteilung. In der Einkaufsabteilung beginnt nun ein aufwändiger Recherche- und Bestellprozess.
- Unsere Lösung: Der Mitarbeiter öffnet eine App auf seinem Smartphone, schießt ein Foto vom benötigten Bauteil und kann es nach einer schnellen Rückbestätigung direkt selbst bestellen.
Welche Technologien sind nötig und möglich?
Bei der Konzeption wurde uns schnell klar, dass wir mehrere Technologien miteinander verbinden müssen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Klar war, dass wir einen Magento-Shop als Basis verwenden würden. Darüber hinaus geisterten schnell Buzzwords wie KI (Künstliche Intelligenz), PWA (Progressive Web Apps) und Chatbots durch den Raum.
Für die Umsetzung des agil entwickelten Minimum Viable Products (MVP) hatten wir uns ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: In nur vier Tagen sollte es fertig sein! Das ließ sich – so viel sei vorab verraten – durch das hochmotivierte Team, bestehend aus drei Backend- und einem Frontend-Entwickler, vollständig erfüllen.
Neben der Erreichung des Ziels war uns außerdem wichtig, dass alle Komponenten der gängigen Praxis und somit auch den hohen Qualitätsansprüchen von netz98 genügten. So sollte eine maximale Wart- und Erweiterbarkeit gewährleistet werden kann.
Eine Konzeption, die eine Wand füllt
Als der Startschuss erfolgte, saßen wir zusammen, um die Anforderungen gemeinsam in ein technisches Konzept zu überführen. Es galt, unsere zahlreichen Ideen, technische Hürden und Vorlieben, Magento-spezifische Technologien und natürlich auch zeitliche Einschränkungen zu berücksichtigen.
So verbrachten wir einige Stunden damit, unsere Vorstellungen zu bündeln und schlussendlich in einem Architektur-Diagramm abzubilden, das fast die gesamte Zimmerwand einnahm. Bei dem hier gezeigten Ausschnitt handelt es sich um eine starke Vereinfachung des komplexen Zusammenspiels zahlreicher Komponenten.
Noch während den kreativen Diskussionen kristallisierte sich für alle Kollegen heraus, welche Teilaufgaben ihnen am meisten zusagen. Dementsprechend konnten die Zuständigkeiten schnell und zu jedermanns Zufriedenheit verteilt werden.
Magento trifft auf Künstliche Intelligenz
Wir erstellten eine neue Magento-Shop-Instanz in der aktuellsten Version 2.3 und befüllten diese mit verschiedenen Beispielprodukten wie Laptops, Handys, Colaflaschen oder Verpackungen. Dies war wichtig, da die Anwendung ja auch getestet werden sollte.
Die Magento-Instanz wurde in das bewährte netz98-Setup integriert. Sie konnte durch unsere automatisierten Build Pipelines auf einem AWS-Webserver ausgerollt und für interne „Testkunden“ verfügbar gemacht werden.
Kern der Anwendung bildete das netz98-Modul „Image AI“, das mit Hilfe einer zur Objekt-Erkennung trainierten KI Gegenstände auf einem Bild erkennen und mit Schlagworten (Labels) versehen kann. Im ersten Schritt wurden sämtliche Produktbilder einmalig an diesen Service übergeben, gelabelt und in der Test-Datenbank abgespeichert.
Die Qualität des daraus resultierenden Lexikons hängt maßgeblich vom Inhalt der Produktbilder ab. Wird ein Produkt zur besseren Vermarktung mit anderen Gegenständen dargestellt, kann der Algorithmus nur bedingt erkennen, welches das eigentliche Objekt sein soll. Ein Szenario, das man aus der Praxis kennt: Beispielsweise werden Smartphone-Produktfotos häufig mit einer Hand dargestellt, damit dem potentiellen Kunden die Größe des Geräts verdeutlicht wird.
Das bedeutet, die KI kann derartige Bilder sowohl mit „Mobile Phone“ als auch „Hand“ beschreiben. So kommt es bei der Erkennung zu Fehlern bei der Zuordnung des Produkts. Wir haben dagegen bereits einen vielversprechenden Lösungsansatz erarbeitet, der zukünftig implementiert und mit Echtdaten getestet werden soll.
Weitere Technologien: Chatbot und PWA
Wie kommuniziert der User mit dem Onlineshop? Dafür haben wir zwei Lösungen erarbeitet:
- Progressive Web App (PWA)
Diese aktuell stark gepushte Web-Technologie wird bei netz98 in verschiedenen Teams untersucht. Sie bietet dem Nutzer unter anderem eine Offline-Funktionalität, eine Bedienung ähnlich zu nativen Mobilanwendungen und auch die Möglichkeit, Push-Mitteilungen zu verschicken. - Chatbot
Telegram ist ein sehr beliebter Chat-Client und eine verbreitete Alternative zu WhatsApp. Da diese Plattform darüber hinaus eine offene Schnittstelle bietet, entschieden wir uns den Chatbot exemplarisch für diese Zielanwendung zu implementieren.
Der User schießt somit ein Foto und überträgt dieses mit Hilfe einer der beiden Möglichkeiten an das Magento-System. Unsere Anwendung nutzt den KI-Dienst, um für das bisher unbekannte Foto Labels zu ermitteln, welche die abgebildeten Gegenstände beschreiben. Daraufhin werden die Schlagworte mit dem initial erzeugten Lexikon abgeglichen und das übereinstimmende Produkt innerhalb von Millisekunden an den User zurückgeliefert.
Sollten mehrere Produkte zutreffen, so werden diese durch einen von uns erstellten Algorithmus gewichtet und ihrer Wahrscheinlichkeit nach sortiert. Auf diese Weise erhält der Kunde auch bei unklaren Gegebenheiten eine sinnvolle und aussagekräftige Auflistung passender Kaufvorschläge, die er im Anschluss mit nur einem Klick in den Warenkorb legen kann.
Wie unser KI-gesteuerter Chatbot in der Praxis aussieht, zeigt folgendes Beispiel-Bild mit einer – zugegeben überteuerten – Colaflasche als Testprodukt:
Fazit
Neben der Einbindung eines mächtigen KI-Services in Verbindung mit einem Magento-Shop im Backend, konnten wir auch im Frontend durch den Einsatz von PWA verschiedene zukunftsweisende Technologien erproben und einsetzen. Trotz der kurzen Zeit gelang es uns, ein funktionstüchtiges MVP zu entwickeln, das unsere Ziele erfüllte und sich äußerst komfortabel einsetzen lässt.
Durch die strikte Einhaltung der netz98-Qualitätsanforderungen haben wir einige komplexe Magento-2-Module implementieren können, die an zukünftige Innovationsteams übergeben und von diesen fortgeführt werden sollen. Das Backlog ist bereits mit vielen guten Konzepten und sinnvollen Vorschlägen gefüllt. Es werden also noch weitere tolle Weiterentwicklungen auf uns zukommen. Darauf freuen wir uns!
Bilder: netz98