International ausgerichtete Shopsysteme kommen um ein Cloud-Hosting nicht herum. Hierbei entstehen aber neue Herausforderungen, wie zum Beispiel weit voneinander entfernte Standorte. Abhilfe kann da der von Adobe entwickelte Synchronisierungsansatz Global Reference Architecture (GRA) schaffen. Wir stellen diese bisher noch sehr unbekannte Entwicklung vor.
Wenn reguläres Cloud-Hosting an seine Grenzen stößt
Die Internationalisierung ist in der Regel der nächste Schritt eines Unternehmens, um im E-Commerce zu expandieren. Neben Faktoren wie Währung, verschiedenen Steuersätzen und nicht zuletzt der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist besonders bei breit verteilten Handelssitzen die Zeitzone ein Knackpunkt.
Nun ist Adobe Commerce (Magento) grundsätzlich ein Multi-Store-System und kann mehrere Onlineshop-Instanzen problemlos händeln. Jedoch kommt auch ein Adobe Multi-Store-System an seine Grenzen und es muss eine zusätzliche Lösung her. Schließlich gibt es einige Gründe, die gegen diese Lösungsvariante sprechen. Dafür wurden bereits ein paar genannt, trotzdem folgt hier noch einmal ein Überblick:
- DSGVO: Vor allem im europäischen Raum gelten strenge Datenschutz-Richtlinien, die es besonders dann zu beachten gilt, wenn ein Unternehmen beispielsweise einen Standort in den USA hat und nach Europa liefern will.
- Getrennte Datenhaltung: Außerdem muss es eine Trennung von Daten einzelner Geschäftsbereiche geben, zum Beispiel Kunden/Umsätze.
- Latenz: Abgesehen von den verschiedenen Zeitzonen sind auch die Entfernungen eine Herausforderung. Ein Kunde, der zum Beispiel von Australien auf einen Server in Frankfurt zugreifen will, muss sehr lange warten, bis eine Seite geladen ist, da die Daten tausende Kilometer zurücklegen müssen. Dies kann besonders bei einer langsamen Verbindung wie 3G passieren.
- Überschneidungen bei den SKUs: Adobe Commerce (Magento) kann systemweit für alle Shop-Instanzen nur eine einzige SKU pro Produkt vergeben. Dementsprechend kann es bei Bestellungen unterschiedlicher Produkte aus verschiedenen Ländern passieren, dass das gleiche Produkt ankommt.
- Wartungsarbeiten: Nötige Serverwartungen beeinflussen immer alle Shop-Instanzen, da der Datentransfer während dieser Zeit nicht zu gewährleisten ist. Sprich: Selbst eine Wartung außerhalb der Hauptgeschäftszeiten kann, wegen unterschiedlicher Zeitzonen, bei der Instanz in einem anderen Land genau in die Hauptzeiten fallen.
Das neue Allzweck-Werkzeug für die Internationalisierung
Angesichts all dieser Fallstricke liegt es nahe, diese Situation einfach durch mehrere Adobe Commerce Cloud-Systeme in den jeweiligen Ländern abzudecken. Dies würde aber ebenfalls Probleme mit der DSGVO verursachen, wenn einige der Server im außereuropäischen Ausland stehen, aber einen Onlineshop in Deutschland mit Daten versorgen. Ziel ist es, sämtliche Server genau in dem Land zu verorten, das sie bedienen.
Was ist Global Reference Architecture (GRA)?
Aus diesem Grund hat Adobe eine Lösung entwickelt, die erstaunlicherweise kaum jemand im E-Commerce-Bereich kennt: Global Reference Architecture (GRA). Das Prinzip dahinter ist ähnlich zu verstehen wie ein Master-Clon-System und ist zugleich so etwas wie eine Orchestrierung von mehreren Adobe Commerce Cloud-Instanzen. Demnach existiert ein Hauptsystem (Reference Plattform), das im Land des Geschäftssitzes eines Unternehmens angesiedelt ist. Jeder weitere Standort verfügt über eine eigene Integration dieser Reference Plattform. So können zum Beispiel verschiedene Länder in unterschiedlichen Zeitzonen und Entfernungen in einem System vereint werden, ohne dass es zu den oben genannten Problemen kommt.
Das Gleiche würde aber auch mit verschiedenen Geschäftsbereichen funktionieren. Ein Sportartikel-Hersteller könnte so zum Beispiel seine Marken, die jeweils andere Sportarten bedienen, in einer multinationalen E-Commerce-Plattform verbinden.
Noch verständlicher wird das Ganze mit der obigen Grafik. Jedes der hier abgebildeten Länder betreibt ein eigenes Adobe Commerce Cloud System, während das Hosting in den unterschiedlichsten Regionen auf der Welt stattfindet oder sogar bei anderen Cloud Dienstleistern wie AWS und Azure betrieben wird. Eine ausführliche Auflistung der weltweit stationierten Server der letztgenannten Anbieter, die von Adobes GRA unterstützt werden, findet sich hier.
Die Vorteile von GRA
Der Ansatz von Adobes Global Reference Architectur bringt auf diese Weise natürlich einige Vorteile mit sich, die den Umstand, dass diese Technologie immer noch so unbekannt ist, nur noch kurioser machen:
- Features können global für alle Länder genutzt werden, aber es können auch spezielle Funktionen für einzelne Länder entwickelt beziehungsweise nur für bestimmte Länder genutzt werden.
- Für jedes Land sind separate Wartungsarbeiten möglich. So wird vermieden, dass Deployments nicht während der Hauptgeschäftszeit einer bestimmten Region stattfinden.
- Es gibt unterschiedliche Entwicklerteams für die jeweiligen Länder, die sich so besser um die lokalen Gegebenheiten wie Steuern oder ähnliches kümmern können.
- Anbindungen an ERP-, Payment-, Marketing- und PIM-Systeme können global genutzt werden, aber auch länderspezifisch sein.
- Durch die getrennten Systeme verfügt jede Einheit über eine eigene Datenbank mit Kundendaten, Produkten, Kategorien und CMS-Inhalten.
GRA – so innovativ wie unbekannt
Adobe beweist mit der Global Reference Architecture echten Pioniergeist im Sinne der Internationalisierung und der Expansion von Unternehmen im E-Commerce. Der GRA-Ansatz könnte für sehr viele Firmen am Markt genau die Lösung für ihre zukunftsweisenden Pläne sein. Natürlich ist GRA auch ein kleines Eingeständnis der Schwäche, die ein gewöhnliches Cloud-Hosting nun einmal hat, denn internationale Geschäftsstrukturen können mit Adobe Commerce nicht immer umgesetzt werden.
Umso erstaunlicher ist es, dass dieses System von Adobe bisher kaum beworben wurde. Möglicherweise wird sich das ändern, wenn in 2023 die groß angekündigte Offensive hin zu mehr Fragmentierung und Headless-Architekturen von Adobe Commerce im Zuge der Composable Commerce-Strategie anrollt.
Bilder: Adobe, netz98